Die Kinder in den Köpfen

Heike Makatsch hat als Co-Autorin ihr erstes Drehbuch geschrieben - und liefert mit "Schwesterherz" gleich einen unfreiwilligen Beitrag zur Familiendebatte

Ein alter Schauspielertraum: Wenn die Drehbücher nichts taugen, die man geschickt bekommt, schreibt man sich einfach eines selbst. Heike Makatsch hat das getan, zusammen mit der FAS-Redakteurin Johanna Adorjän. Nun kommt „Schwesterherz“ in die Kinos, Hauptrolle: auch Heike Makatsch.

Der Film handelt von einer Frau Mitte 30, die in ihre erste Lebenskrise gerät: Ihr Job ist frustrierend, ihre Beziehung kaputt, und dann erfährt sie, dass sie schwanger ist. Sie will abtreiben, aber vorher fährt sie mit ihrer kleinen Schwester (Anna Maria Mühe) nach Spanien in den Urlaub. Da geht endgültig alles schief.

Da im Leben der 36-jährigen Makatsch schon öfter die Rollen mit dem Menschen, das einstige vermeintliche „Girlie“ mit der wahren jungen Frau verwechselt wurden, passt es fast schon wieder zu gut, dass Makatsch gleich nach den Dreharbeiten zu „Schwesterherz“ schwanger wurde. Doch weil die Mutter als Schauspielerin und Drehbuchautorin ein Recht auf Fiktion hat. spielte die Tochter Mieke Ellen beim Interview in Berlin keine Rolle. Naja: fast keine.

Heike Makatsch, hat die Arbeit an Ihrem ersten Drehbuch eine Antwort auf die Frage gebracht, der Sie darin unter anderem nachgehen: Was kommt nach dem Mädchensein?

In der Rückschau auf „Schwesterherz“ stelle ich heute jedenfalls fest: Obwohl meine konkrete Lebenssituation immer eine andere war als die der Frauen, die ich dargestellt habe, steckte ich beim Schreibprozess auch in einer krisenhaften Phase. Wie schön, dass sowas also wenigstens zu kreativen Ergüssen führt. Im Moment hingegen wüsste ich gar nicht, was ich schreiben sollte – ohne dass ich mir wie eine Christdemokratin vorkäme, weil sich alles u m Familienwerte drehen würde. Wenn das Leben sonst immer Sturm ist, ist bei mir gerade etwas Ruhe eingekehrt.

1994 gab es die berühmt-berüchtigte „Spiegel“-Titelgeschichte über „Girlies“, für die Sie wie Ihre heutige Co-Autorin Johanna Adorjän interviewt wurden. Sie waren die Identifikationsfigur des „Girlie“-Hypes, man könnte auch sagen: das Opfer. Ich fühlte mich tatsächlich als Opfer. Ich habe diesen Begriff „Girlie“ immer weit von mir gewiesen. Aber ich gebe zu: Ich war Aushängeschild eines Trends, der irgendwie doch etwas Allgemeingültiges hatte. Und heute beschäftigen Johanna und ich uns in unserem Film mit einem Phänomen, das wir als allgemeingültig verstehen. Auch wenn ich mich von meiner Rolle, der Anne, bewusst distanziere.

Das Thema von „Schwesterherz“ platzt hinein in die Ausläufer der großen Familiendiskussion in Deutschland. Und jetzt wirkt es so, als wollten wir den filmischen Beitrag zur großen Frauen-und-Kinder-Debatte liefern? Nein, das nun nicht. Geschrieben haben wir das Drehbuch vor vier Jahren, da kannte kaum jemand Ursula von der Leyen, und Eva Herman war bloß eine „Tagesschau“-Sprecherin. Im Film geht es nicht wirklich ums Kinderkriegen, und definitiv nicht um die Entscheidung einer Frau zwischen Kind und Karriere. Sondern darum, dass eine Mittdreißigerin erkennt, dass ihr bisheriges Lebensmodell nicht funktioniert.

Es geht weiterhin um weibliche Identität in der modernen Welt…

Das Erschreckende daran ist, dass wir uns heute, mehr als zehn Jahre nach dem „Girlietum“, immer noch die Fragen stellen: Bin ich jetzt schon eine Frau? Was bedeutet Frausein eigentlich? Das zeigt jedoch, wie wenig das heutzutage vorgezeichnet ist als Weg, den man abschreiten kann. Wo man sich ab einem bestimmten Punkt sicher fühlen könnte in seiner Identität.

Ihr Film schließt eine geradezu altbürgerliche Antwort zumindest nicht aus: Macht am Ende doch erst das Mutterwerden aus dem Mädchen eine Frau?

Die Frage beantworten wir ja nicht. Aber ein Kind zu bekommen, das habe ich immer schon gedacht, ist schon ein Sinnbild dafür, wie sich ein Leben komplettiert. In jedem Fall verändert es die Position, die man als Frau zu sich selbst hat, es beendet das ewige Um-sich-selbst-Kreisen…

Für die Filmfigur Anne könnte ein Kind einfach der Fluchtweg sein aus ihrem bisherigen Leben, das gescheitert ist. Ist auch das eine allgemeingültige Aussage über heutige junge Mütter? Das würde ich nicht behaupten. In dem Film geht es auch um eine andere Sache viel mehr, nämlich um die falschen Maßgaben, die Anne glaubt, erfüllen zu müssen. Sie will Erfolg haben auf eine Weise, die von außen definiert wird. Sie verwechselt Unabhängigkeit in ihrer Beziehung mit ihrer Unverbindlichkeit. Sie meint, als Frau über 30 noch immer Jugendlichkeit verkörpern zu müssen.

Kein Zufall, dass Anne in der Musikindustrie als Produktmanagerin für grauenhafte Chartmusik arbeitet? Kein Zufall. An einem solchen System lässt sich gut zeigen, wie jemand, der sich ihm ganz hingibt, auf Dauer seine Ideale verliert. Wir können dann fragen: Was passiert, wenn sich Anne von diesem System abwendet? Findet sie ihre ursprüngliche Liebe zur Musik wieder?

Auch kein Zufall, dass Sie kurz nach Ende der Dreharbeiten schwanger wurden? Tja, wer weiß wie künstlerische Auseinandersetzung einen auch privat pusht… (lacht) Nein, ernsthaft: Als Johanna und ich das Drehbuch schrieben, habe ich mir übers Kinderkriegen keine Gedanken gemacht. Und nach dem Dreh dann schwanger zu werden – nun ja, das nennt man wohl: interessantes Timing.

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