Die Oscar-Gewinner 2016: ROLLING-STONE-Prognose zu den 88. Academy Awards

ROLLING STONE analysiert die Oscar-Nominierungen für die wichtigsten Kategorien

Bester Hauptdarsteller

„Commie“-Dramen werden geliebt in Hollywood, und Bryan Cranston als denunzierter Drehbuchautor Trumbo erhielt für seine Darstellung zumindest eine Golden-Globe-Nominierung. Nun hat der Fernsehstar („Breaking Bad“) auch eine längst verdiente Oscar-Nominierung. Chancen auf den Oscar: keine.

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Matt Damon, The Martian: lustig, aber keine Option. Hier hat die Academy eine Leistung gewürdigt, die sie gerne würdigt: Ein Schauspieler, der „einen Film über weite Strecken alleine“ tragen muss, schließlich ist sein Astronaut Watney auf dem Mars gestrandet. Assoziationen an Tom Hanks in „Cast Away“ werden wach, doch dessen epische Darstellung ist seemeilenweit entfernt von der Augenzwinkerei des bubenhaften Damon. Für den gegenüber „Drama“ weniger wertvollen Golden Globe in „Komödie/Musical“ hatte es gereicht.

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Gewinner: Auch, wenn er seit Scorseses „Aviator“ von 2004 stets nur Variationen derselben Rolle spielt – den verschwitzten Psychopathen – und dafür zwar nominiert und doch nicht honoriert wurde, ist Leonardo DiCaprio wohl nie näher am Oscar dran als diesmal. Müsste für „The Revenant“ reichen. Wir denken, es klappt. Und sei es nur, um sich dem „Guardian“ anzuschließen, der treffend schrieb: Leos Darstellung sei ein Angriff auf alle Sinne, gebt ihm endlich den Oscar, dann haben wir es hinter uns.

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DiCaprio auf den Fersen ist Michael Fassbender als Steve Jobs. Er ist der viel bessere Schauspieler, derzeit der meistbewunderte in Hollywood sowieso, verlor aber sowohl bei den Globes als auch bei den Screen Actors Guild Awards. Er spielt auch noch nicht so lange in der Oberliga wie Leo, ist – obwohl er deutlich älter aussieht – auch zwei Jahre jünger. Unser Mann aus Heidelberg hat noch Zeit.

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Eddie Redmayne, „The Danish Girl“. Macht er den Tom Hanks, macht er den Spencer Tracy – zwei Oscars in Folge? Wahrscheinlich nicht. Das Transgender-Thema wird immer relevanter, das Fernsehen ist bereits dabei („Transparent“), aber in Hollywood weiß man noch nicht so richtig damit umzugehen. Auch Redmayne verlor bei den Globes gegen DiCaprio, es sieht für einen weiteren Academy-Award-Sieg nach „The Theory Of Everything“ von 2015 also eher schwer aus. Bedenkt man, dass Redmayne vor wenigen Jahren noch ein Nobody in Hollywood war, dürfte das aber zu verkraften sein.

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Beste Hauptdarstellerin

Jennifer Lawrence („Joy“) ist das Darling von Hollywood, und Darstellungen in Filmen von David O. Russell sollte man immer ernst nehmen, aber dies ist eine klassische fünfte von fünf Hauptdarstellerinnen-Nominierungen: eine Geste des Respekts, mehr nicht; der Golden Globe in der Kategorie „Komödie/Musical“ ist auch weniger Wert als im Fach „Drama“.

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In die gleiche Nice-To-Have-Kategorie fällt auch Charlotte Rampling (45 Years). Mit 70 hat sie ihre erste Oscar-Erwähnung erhalten, längst überfällig, aber nicht zum Sieg verpflichtend. Saoirse Ronan ist 22, für Brooklyn gab es die zweite Nominierung; seit Peter Jacksons „The Lovely Bones“ von 2009 gilt die New Yorkerin als ganz große Hoffnung. So wie „Brooklyn“ selbst in der Kategorie „Bester Film“ ist auch Ronan eine Außenseiterin.

Gewinnerin: Brie Larson hätte den Oscar für „Room“ sicher am ehesten verdient, sie legte in Hollywood einen ziemlichen Sprint hin, bedenkt man, wie halbgar doch drei ihrer letzten Filme, „21 Jump Street“, „Don Jon“ und „The Gambler“ gewesen sind. Sie gewann den diesjährigen Golden Globe im „Drama“-Fach. Cate Blanchett zeigte in „Carol“ die noch bessere Leistung, obwohl sie bei den Globes Larson unterlag. Allerdings hat Blanchett bereits zwei Trophäen (eine für Haupt-, eine für Nebendarstellerin), und eine dritte möchte man ihr vielleicht noch nicht geben. Auch, wenn sie dann nicht mal Rekordhalterin wäre. Katherine Hepburn hatte vier abräumen können (alle für „Hauptdarstellerin“).

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Bester Nebendarsteller

Gewinner: Die mit Abstand spannendste Entscheidung der diesjährigen Verleihung betrifft diese Sparte. Sylvester Stallone ist mit Creed der Favorit, er gewann bereits den Golden Globe, und dem 69-Jährigen ist ein ganz seltenes Kunststück gelungen: Er wurde als Rocky Balboa hiermit zum zweiten Mal für dieselbe Rolle nominiert (zuerst als Hauptdarsteller 1976 in „Rocky“). Seine Fähigkeiten sind bescheiden, auch hier, aber Hollywood vergöttert und fördert solche Comeback-Geschichten, gerade weil Stallone stets unterschätzt wurde, und hier also der Underdog zurückschlagen kann. Außerdem eine Gelegenheit, dem unfassbar unberücksichtigten Boxer-Drama „Creed“ überhaupt etwas Oscar-Rampenlicht zu verschaffen. Stallone kriegt den Oscar – übrigens sein zweiter, schließlich war er vor 40 Jahren bereits Produzent des ersten Teils.

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Mark Rylance hätte die Statuette für „Bridge Of Spies“ sicher eher verdient, sein schicksalsergebenes, knarziges und weises Spiel rettet den Film – außerdem ist der Mann ein Theaterheld, er hat bereits mehrere „Tonys“ im Schränkchen stehen, und die Filmwelt erkennt gerne solche Crossover-Leistungen an.

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Mark Rylance

Christian Bale („The Big Short“) folgt ihm auf den Fersen. Immer wieder erstaunlich: Bale läuft immer dann zu Hochform auf, wenn er eben nicht den Mann des Pathos, des Grams spielen muss, wie wir ihn aus „Batman Begins“ oder „Exodus“ kennen. Seine besten Darstellungen sind die, in denen er entweder Loser („The Fighter“) spielt oder Loser, die in Gewinner-Rollen feststecken, wie hier in „The Big Short“.

Mark Ruffalo in „Spotlight“ ist ein Witz, der „Hulk“-Darsteller läuft als Reporter extra krumm und gebückt, „spürt die Last“ des Missbrauchsskandals, den er aufdecken will. Sein Gefühlsausbruch – „Es hätte jeden treffen können! Mich! Sie!“ ist Oscar baiting vom Erbärmlichsten; jede Wette, dass dies als Einspieler bei der Verleihung gezeigt wird, wenn die Nominierten vorgestellt werden. Tom Hardy ist neben Michael Fassbender wohl der aktuell höchstgelobte Mann der Traumfabrik, aber seine Nominierung für „The Revenant“ ist, wie im Fall DiCaprios, wohl eher ein Kompliment an die physische Leistung; seine Figur ist zu eindimensional.

Beste Nebendarstellerin

Jennifer Jason Leigh ist 53, feiert mit „The Hateful Eight“ ihr Comeback (letzte große Hollywood-Rolle war 2002 in „Road To Perdition“) und ist erstmals für dem Oscar nominiert. Annerkennungs-Nominierung, auch Regisseur Quentin Tarantino wird’s freuen, hat er einer wieder entdeckten Schauspielerin wieder einmal Aufmerksamkeit verschafft. Alicia Vikander („The Danish Girl“) erhält eine „Nachwuchs“-Nominierung, Rachel McAdams’ Nennung wiederum ist ähnlich kurios wie die des „Spotlight“-Kollegens Ruffalo. McAdams kann Drama einfach nicht. Das demonstrierte sie zuletzt in „True Detective“, wo sie bei jeder schwierigen Entscheidung einfach beschlossen hatte, die Stirn kraus zu ziehen und Augen sowie Augenbrauen wellenförmig zu bewegen. Geradezu lachhaft, wie sie hier als Reporterin mit Block in Mundhöhe hektisch jedes Wort mitkritzelt, ohne auch nur einmal aufs Geschriebene zu sehen. Journalistenklischee deluxe.

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Spannend wird es zwischen Kate Winslet in „Steve Jobs“, die als dessen Marketingchefin eine fantasievolle Interpretation der echten Figur darlegt, und Rooney Mara in der Highsmith-Verfilmung „Carol“. Mara wurde eigens in die Nebenrollen-Sparte verfrachtet, damit die Oscar-Chancen steigen. So wie es aussieht, hat sie hier aber gegen Globe-Gewinnerin Winslet keine Chance. Ganz bitter für „Carol“, ein Film, den alle Kritiker liebten, deraber irgendwie nicht genug Stimmen zusammenbekam, um in den wichtigen Kategorien „beste Regie“ und „bester Film“ aufgestellt zu werden.

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Kate Winslet als Joanna Hoffman in „Steve Jobs“

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