Disharmonisch vereint

Substanz, München. Ein herrlicher Abend war das, als Victoria Williams. Mark Olson und ihre Creekdippers vor zwei Jahren an gleichem Ort ein berauschendes Konzert gaben. Country-Rock, Weird Americana, Intimst-Folk, bis einem die Tränen kamen. Olson und Williams harmonierten so himmlisch, wie das vermutlich nur Ehepaare können. Williams gab spontan „You Are My Sunshine“, und der Gatte revanchierte sich mit seinen schönsten Liebesliedern.

Zwei Jahre später sind die Vorzeichen für einen gelungenen Abend denkbar schlecht: Die Ehe ist kaputt, und von den Creekdippers ist nicht mal der treue Razz Russell dabei, stattdessen ein – allerdings brillanter-Aushilfsgeiger.

Olson startet mit seinem recht banalen „Eyes Are The Window“, Williams, neben ihm an Mundharmonika und Bongos, ist hörbar auf Disharmonie gebürstet (bildlich gesprochen, ihre Haarpracht verbirgt sie unter einem wackligen Turban): naive Harmonika-Intermezzi, kindliches Gebrabbel und Gekichere, Schrägstgesang. Eine Mischung aus Elizabeth Cotton und Tiny Tim, die ihre Mitstreiter eine Zeit lang vor größte Probleme stellt.

Es dauert eine Weile, bis die widerstrebenden Elemente auf der Bühne zusammenfinden. „Harry Went To Heaven“ ist der erste geglückte Song des Abends, bei dem Olson Williams‘ quäkenden Vortrag mit feinen Harmonien unterlegt. Danach spielt er zwei seiner besten Post-Jayhawks-Songs: „Meeting In Long Pine“ und „Ben Johnsons Creek“. Plötzlich passt alles: Williams kontrapunktiert die simplen Olson-Melodien, Olson kanalisiert ihre exzentrischen Ausflüge. George Bush wird mit „Poor GW“ abgestraft, der Publikumswunsch „My Own Jo Allen“ wird prompt erfüllt.

Als Williams sich ihren Turban zurecht rückt, berichtet Olson, der ja einst die Jayhawks verließ, um sich verstärkt um die MSkranke Victoria zu kümmern, über deren erfreulichen Gesundheitszustand und erzählt von einem Ausflug, den die beiden nach Wales unternommen haben. Geradezu harmonisch geht es auf der Bühne zu. „My Ally“, Williams‘ Ode an die Freundschaft, wollen sie trotzdem nicht spielen. „Das kann ich nicht singen“, schüttelt Olson den Kopf, als ein Fan den Song fordert. „Derjenige, der sich das gewünscht hat, kann gerne auf die Bühne kommen und es selbst singen.“ Der Wunsch nach „Miss Williams‘ Guitar“ bleibt einem danach natürlich im Halse stecken.

Stattdessen gibt es schließlich „December’s Child“ herzzerreißend, dieses Liebeslied an die Ex-Gattin. Die beschließt den Abend mit dem wundervollen „Summer Of Drugs“: „Sister got bit by a copperhead snake/ In the woods behind the house/ Nobody was home so I grabbed her foot/ And sucked that poison out/ Sister got better in a month or so/ When the swelling it went down/I’d started off my teenage years/ With the poison in my mouth.“

Gift hatte an diesem Abend niemand mehr im Mund, aber ein leichter Nachgeschmack ist allen noch geblieben.

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