„„Sie haben sich Arger verdient“

Mark Olson und Victoria Williams widmen sich mit den Creekdippers windschiefem Folk und giften auf der neuen Platte gegen die Bush-Regierung.

Es ist der richtige Ort für ein Konzert der Creekdippers: Die „Scheune“ im brandenburgischen Wredenhagen ist ein mit viel Liebe und handwerklichem Geschick umgebautes Gehöft mit viel Holz und antiquarischem Mobiliar und einem recht großen Konzertsaal (früher eben die Scheune), in dem die Americana-verliebten Betreiber der Provinz ein erstaunliches prominentes Programm servieren. Allein in den letzten Wochen waren Chris Cacavas, Terry Lee Haie und Julian Dawson hiet; ganz früher sogar mal Blue Mountain. Man sieht Mark Olson und Victoria Williams hier viel lieber als in urbanen Spelunken mit lauten P.A.-Systemen und heruntergekommenem Ambiente; die ländliche Idylle passt gut zur Musik der Folkloristen aus Joshua Tree. Olson, Williams und drei weitere Creekdippers absolvieren hier den vorletzten Abend einer fast dreimonatigen Tour durch Europa, eine Konzertreise, die in ähnlicher Form und Länge bereits im letzten Jahr stattgefunden hat. Ein bisschen verwunderlich ist das schon – schließlich sollte man meinen, die Creekdippers hätten mit der Promotion von gleich zwei neuen Alben „Mystic Theatre“ und die Bush-Hasstirade „Political Manifest“ zu Hause genug zu tun. Aber in einer schlechten Welt geht eine solche Gleichung nicht auf. „Wir haben zu Hause derzeit keine Plattenfirma“, erklärt Olson, „wenn man keine Plattenfirma hat, hast du keinen Booker. Und wenn du keinen Booker hast, kannst du nicht spielen.“ Olson, der mit seiner schmuddeligen Strickjacke samt Stoffhose, Pullunder und dem Opa-Hut aussieht wie ein Farmer auf dem Sonntagsweg zur Baptistenkirche, zuckt mit der Schulter.“Ich weiß nicht, was es ist. Vielleicht mögen die Leute ja meine Stimme nicht. Oder meine Akkorde.“ Daheim in Joshua Tree trete er schon lange nicht mehr auf. „Unsere Musik ist halt eine Spur zu weird für die Leute da. Wenn wir dort spielen, sitzen sie bloß da und kratzen sich an den Köpfen. Das habe ich nicht nötig.“ Jetzt meldet sich die übrigens reizende Victoria Williams zu Wort. „Das ist Unsinn. Die Leute lieben dich, und das weißt du. Du willst bloß nicht zu Hause spielen, weil du deine Ruhe haben willst.“ Es entbrennt eine kleine Streitdiskussion, in der Williams ihrem Gatten ein gewisses Pensum an künstlerischer Eitelkeit und gekränkter Musiker-Ehre nachweist. Am Ende gibt Olson nach.

Glücklicherweise kommt man hierzulande nach wie vor in den Genuss der Musik des ehemaligen Jayhawks-Vorstehers. Auf „Mystic Theatre“, dem sechsten Creekdippers-Album, ist wieder seltsam schrullige US-amerikanische Folklore zu hören, windschief und erst bei näherem Hinsehen individuell konturiert. Später, beim schönen Konzert auf der Scheunenbühne, werden diese seltsamen Lieder eher noch seltsamer, zumal Victoria Williams ihre freilich gewöhnungsbedürftig skurrile Stimme obendrein mit einer ausgesprochen skurrilen Gestik ummalt. Man muss sich kurz gewöhnen. „Sie ist ein kosmisches Musikwesen“, hatte Olson vorher mit leuchtenden Augen von seiner Angetrauten geschwärmt, „solange wir können, müssen wir soviel spielen wie möglich“. Es ist rührend, wie Olson sich um seine seit rund einer Dekade schwer an MS erkrankte Ehefrau kümmert, ihr die Gitarre hält, sich minütlich nach ihrem Wohlbefinden erkundigt. Als es auf der Bühne zu warm wird, muss das Licht gedimmt werden, und nach einer recht kurzen Spielzeit will Olson das Konzert beenden. Allein, Williams fühlt sich gut und spielt kurzerhand noch eine Reihe alter, elfisch verzückter und berückender Jazz-Standards von ihrem eigenen Cover-Album „Sings Some Ol’Songs“, bevor Schluss ist.

Die andere neue Platte der Creekdippers, „Political Manifest“, wird es daheim wohl noch schwerer haben mit der Suche nach einem Vertragspartner. Erbost über die Kriegstreiberei und innenpolitische Misswirtschaft der Bush-Regierung, schimpft sich Olson auf dieser in wenigen Tagen gemachten, musikalisch etwas arg lapidaren Platte die Wut vom Leib, fordert den Präsidenten zum Faustkampf und macht sich lustig über Rumsfeld. „Sie machen schlechte Arbeit“, erklärt Olson trocken, „sie haben sich ein wenig Ärger verdient.“

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