Drucksachen

Blues-Krähe und Rock-Furie. Trat auf wie eine Dirne, fluchte wie ein Scheunendrescher, soff sich in den Underground und darunter. War zügellos, wild und voll ungestillter Sehnsucht, ihr kurzes Leben lang. „Janis Joplin -Piece Of My Heart“ (Krüger, 50 Mark) von Alice Echols ist eine Biografie des texanischen Vollweibs mit selbstzerstörerischer Ader. Und viel mehr. Es ist ein Buch über das Leben in Amerika in den Sixties. „Als sei eine fliegende Untertasse gelandet“, wird Bob Dylan zur Dekade der Utopie zitiert. Und die Joplin, oft Handelnde, meist Opfer, klammerte sich an dieses UFO umso fester, je jämmerlicher sie an der Nadel hing. Die Autorin führte rund 150 Gespräche mit Zeitzeugen und Weggenossen der rastlosen wie rücksichtslosen Künstlerin, ist sich aber wohl bewusst, daß sie an ein paar Tabus rührt, über die längst Gras gewachsen schien. „Meine Biografie wird nicht allen gefallen“, schreibt Echols im Vorwort, „schließlich war Janis manchmal Teil einer hässlichen, verkommenen Szene, die ich mit all ihren schmutzigen Details behandele.“4,0

„Scott Walker is an enigma and a genius“, resümiert Ken Brooks am Ende von „Long About Now“ (Agenda Ltd, ca. 30 Mark) seine Untersuchungen über den evasiven Existenzialisten. Gemeinplätze wie diese finden sich auf jeder zweiten Seite. Was soll man machen, wenn das Objekt der Forschung zwar mitten in London lebt, aber inkognito? Und sich in zwanzig Jahren ganze zwei Stunden Musik abgerungen hat, jedoch nicht darüber reden möchte? Brooks, der bereits Bändchen über Bob Dylan, die Doors und die Incredible String Band publizierte, müht sich redlich. Er fährt Fakten auf, chronologisch. Er spekuliert vorsichtig, wo die Empirie versagt. Er überschreibt Kapitel mit Zitaten von Faulkner, Nietzsche und Voltaire. Er scheitert, weil er muss. Dennoch lesenswert für den Fan, vor allem der Recherchen zu sämtlichen Songs wegen, die Walker mit den Brothers oder solo aufgenommen hat. „Listening to it is hard work“, meint Brooks über „Tilt“. An die Arbeit. 3,0

„Die Beatles – Geschichte und Chronologie“ vom Autoren-Quartett Moers, Meier, Bühring und Budeus(Argument/Ariadne, 30 Mark) bringt nichts Neues (wie auch?), erweist sich aber als wahre Fundgrube der Trivialitäten und Randerscheinungen. Wer hätte gewusst, dass das Tambourine auf Donovans Pomp-Legende „Atlantis“ von Paul McCartney geschlagen wurde oder dass die Beatles am 8. Mai 1963 aus dem Urlaub zurückkehrten? Dass die Stones am 3. September 1965 in Dublin „I Feel Fine“ coverten und dass sich Bob Dylan am 2. Mai 1966 mit Paul McCartney, Keith Richards und Brian Jones traf? Nein, worüber die vier quatschten, erfahren wir nicht. Aber unterm Strich mehr als von der konzertiert gehypten „Anthology“, über die Bernie Gockel in der letzten Ausgabe schon das Nötige gesagt hat. 700 Seiten, eine herkulische Fleißarbeit. 3,5

Weit weniger Aufwand muss von jeher für die bei Fans durchaus beliebten Zitaten-Sammlungen ihrer Idole betrieben werden: Nach Sachgebieten sortierte Interviewfetzen und Statements, selten erhellend, weil aus dem Zusammenhang gerissen. So sollte man nicht allzu zahlreiche Aha-Erlebnisse erwarten von „Elvis Presley in eigenen Worten“ oder gar von „Bono und U2 in eigenen Worten“ (beide Palmyra, je 34 Mark). Elvis ist ganz der Southern Gentleman, allzeit höflich und nicht sehr eloquent. „Vielleicht finden mich manche Kritiker nicht so toll“, mutmaßt der King, „die tun wohl einfach ihre Arbeit“. Das nichtssagende Vorwort stammt von dem Banausen, der sich „The King“ nennt und dafür nicht schämt. Die Verlautbarungen von Bono (der Rest von U2 hält sich eher bedeckt) sind so, wie man es erwarten darf. „Wir glauben fest an die Leute, die zu unseren Konzerten kommen“, beteuert er, und: „Ich mag Musik nur, wenn sie eine heilsame Wirkung hat.“ über seinen Co-Komponisten: „Wirklich, an den besten Songs schreibt Gott mit.“ Amen. Beide 2,0

„Das Vinyl-Lexikon“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 30 Mark) von Frank Wonneberg möchte „Wahrheit und Legende der Schallplatte“ beleuchten, wie dem Untertitel zu entnehmen ist, sowie Fachbegriffe erklären und Praxistipps geben. Das gelingt dem Autor, Herausgeber der Fachzeitschrift „Living Vinyl“ und mit dem Sujet vertraut, mal gut, mal besser. Ist das Befremden über die vermutlich seiner DDR-Herkunft geschuldeten Sprach-Spießigkeit (Etikette statt Label, Schallfolie statt Flexidisc) erst einmal gewichen, lässt sich einiges lernen, insbesondere über technische und technologische Belange von Plattenherstellung und Klangreproduktion. Warum Wonneberg Label-Infos zu Kama Sutra und Star Club gibt, nicht aber zu King und Stax, bleibt sein Geheimnis, kann den Gebrauchswert des Kompendiums jedoch nicht nachhaltig mindern. Am Ende steht einmal mehr die Erkenntnis, dass der Tonträger Vinyl den digitalen Konkurrenzformaten keineswegs nur klangästhetisch überlegen ist. Nur in einem entscheidenden Punkt nicht: Die Profitspanne ist nicht halb so hoch. Was den Einzugsbereich über eingeweihte Kreise hinaus (Liebhaber, Sammler, High-End-Enthusiasten, DJs, etc.) begrenzt. Obschon derzeit deutlich mehr Vinyl veröffentlicht und verkauft wird als in den vergangenen zehn Jahren. Was dem Downloading-Trend digitaler Provenienz diametral entgegenläuft. „Vinyl lebt!“, freut sich Wonneberg und alle musikalischen Menschen mit ihm. 3,5

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