Ein Freund der Zeit

Allein mit seiner Gitarre entfaltet der Cineast Will Oldham alias Bonnie "Prmce" Billy einen französisch leichten Film über die großen Themen des Lebens

AMERIKA HAUS, MÜNCHEN. Der läng liehe dunkle Raum mit Klappsitzreihen und einer hohen Bühne wirkt eher wie ein Kino als wie ein Konzertsaal. Doch vorne sitzt an diesem Abend der Filmvorführer selbst. Ein kleiner Mann mit großem Bart, wenigen Haaren und klobigen Wanderschuhen.

Der Film beginnt apokryph mit „O How I Enjoy The Light“, einer alten Palace Songs-Single, deren Zeilen den gesamten Oldham-Kosmos schon zu umreißen scheinen. „I will love you forever/ But if I don’t and if I do/ The difference exists in a fiction.“ Das anschließende „Love Comes To Me“, der Harmonien und Streicher des letzten Albums „The Letting Go“ beraubt, ist ganz Meditation über Oldhams große Themen: Sex und Gott.

Er befinde sich in einer fast surrealen Situation, so Oldham. An einem fremden Ort, in einem fremden Land, immer konfrontiert mit der Frage, womit man das eigentlich alles verdient habe – positiv wie negativ. Den ständigen Veränderungen des Tourlebens ausgesetzt, werde man ein Freund der Zeit, die alles transformiere, erklärt er weiter und tut es ihr gleich. Formt seine Geschichten über das Leben als Drifter, über one night Stands und Abschiede, Zufälle und Fügungen, Wind und Gezeiten in nie gehörter Weise um, lasst die Bedeutungen durch Betonung und Mimik schweben, bevor sich die Songs an fremden Orten niederlassen. Als er am Nachmittag ins Hotel eingecheckt habe, seien ihm ältere Herren in Begleitung junger Damen aufgefallen, die eiligst hinter den Zimmertüren verschwanden, erzählt Oldham. Er habe sich vorgestellt, wie sie dann zum nachmittäglichen Schäferstündchen die schweren Eichenholzbetten zusammen schöben. Da habe er an Truffauts „La Peau Douce“ denken müssen, fährt er fort und grinst schief in seinen Bart. „After I Made Love To You“, „You Have Cum In Your Hair And Your Dick Is Hanging Out“ und „New Partner“ scheint er später den in tagheller Heimlichkeit ausgetauschten Intimitäten seiner Zimmernachbarn zu widmen.

Das Superwolf-Stück „Beast For Thee“ leitet Oldham mit einem Verweis auf Bressons ,Au Hasard Balthazar“ ein, „Another Day Full Of Dread“, begrüßt von ,Ah“und „Uh“-Rufen und verabschiedet mit dem größten Applaus des Abends, erscheint Zen-weise leicht. Danach folgt fast ein „Greatest Hits“-Programm: „Cursed Sleep“, „I See A Darkness“, „West Palm Beach“, „Lost Blues“. Da bleibt kaum ein Wunsch offen, zumal Oldham am Ende auf Zuruf spielt. Natürlich trauen sich nur die Kenner, und so dreht dieser bis dahin so französisch leichte Film über die großen Themen des Lebens noch zu düsterem skandinavischen Kierkegaard-Kino zu werden: „Weaker Soldier“ und „Grand Dark Feeling Of Emptiness“ werden verlangt. Doch dann verwandelt unser Freund der Zeit das innere Dunkel doch noch in ein helles Sternenlicht und schließt mit „Lift Us Up“: „And when I wrap around you/ Ain’t it wonderful I found you?“ Klingt, als habe er heimlich an Hotelzimmertüren gelauscht.

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