EIN HELD UNSERER ZEIT

Es hatte etwas Rührendes, ja Herzerwärmendes, wie der knittrige, schon ein wenig zittrige grüne Renegat aus Kreuzberg in ganze Batterien von Scheinwerfern blinzelte und stolz von seinem Moskauer Coup berichtete. Edward Snowden gehe es gut und er sei bereit, hier auszupacken, sofern ihm freies Geleit zugesichert würde. Man gönnte Hans-Christian Ströbele das Rampenlicht, auch wenn sein anbiedernder PC-Sprech sonst zum Wegzappen zwingt und sein prekärer Spagat zwischen verschämtem Lob für Putin und rechtschaffenem Tadel an die Adresse der „Amis“, wie er die Bösewichter schnoddrig nennt, eher peinlich berührte. Dabei war ihm erkennbar daran gelegen, sich nicht dem Verdacht des Anti-Amerikanismus auszusetzen, und beinahe wäre ihm das sogar geglückt.

Doch Edward Snowden gebührt auch unser Dank. Weniger für seine Enthüllungen, denn immerhin ist es Sinn und Zweck aller Geheimdienste, zu spionieren und sämtliche Daten zu sammeln, derer sie irgendwie habhaft werden können. Wer meint, das ließe sich in Zeiten wettbewerblicher Hochrüstung im Internet dauerhaft verhindern oder gar auf demokratisch gedeihliche Art regulieren, ist bestenfalls naiv. Auch höchstrichterliche Urteile zur Vorratsdatenspeicherung haben bloß aufschiebende Wirkung im nationalen Geltungsbereich. Cyber-Warfare kennt indes keine Grenzen, die Politik keine Freunde, allenfalls Partner. Nein, in der Schuld des Whistleblowers stehen wir nicht, weil er uns lehrte, die Funktion auffällig-unauffälliger Dachbauten auf Botschaftsgebäuden in Berlin zu hinterfragen, sondern weil die Preisgabe seines Insider-Wissens die politische Klasse so köstlich vorführt, seit vielen Wochen allabendlich zur besten Sendezeit.

Okay, dem Hang zum Voyeurismus nachzugeben, mag unschön sein. Doch entbehrt diese Dauerposse um Minister, die nach Washington fliegen, um die NSA mal eben in ihre Schranken zu weisen, nicht eines gewissen Unterhaltungswerts. Die Verlegenheit und Verlogenheit der Amtsträger in Talk-Shows, Merkels ohnmächtiges Beleidigtsein, all das summiert sich nicht zum Shakespeare-Drama, ist aber meistens kurzweiliger als das Restprogramm. Derweil ganz gewiefte Geheimdienstexperten in London sich des Problems Snowden handfester zu entledigen suchten, indem sie im Gebäude des „Guardian“ Festplatten zertrümmerten, auf denen sie inkriminierte Dateien vermuteten. Auch rührend.

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