Ein Junge geht ihren Weg

Der androgyne, erst 21-jährige Songschreiber Patrick Wolf aus London sitzt am liebsten zwischen den Stühlen

„Ich mag das Wort ,androgyn‘ nicht besonders, da denkt man gleich an Goths mit dunklem Eyeliner“, lacht Patrick Wolff, dessen zweites Album „Wind ln The Wires“ auf noch viel berückendere Weise als bereits das Debüt „Lycanthropy“ eine jungenhafte, fast weibliche Aura versprüht. „Aber Virginia Woolf schrieb mal, die perfekte Kunst und die perfekte Kommunikation kämen von einem androgynen Bewusstsein, weil man nur so die Fallen und Vorteile des Männlich- und Weiblichseins gleichermaßen verstehen könnte.“

Ein androgyner Stil ist ja im Pop beileibe nichts Ungewöhnliches, wenn man etwa an David Bowie, Roxy Music, die Go-Betweens oder Morrissey denkt. Und gerade zur Zeit gibt man sich wieder eher feminin, wie etwa Franz Ferdinand, die sich bewusst weibliche Attribute geben, ihr Modebewusstsein zur Schau stellen, in Songs Begehren gegenüber Männern ausstellen. „Mag sein. Aber dieses ganze Jungsband-mitdrei-Gitarren-und-Schlagzeug-Ding ist pures Testosteron. Dieses Konzept hatte sicher mal seine Relevanz, aber es gehört in eine patriarchale Tradition, die mich nicht sonderlich interessiert.“

Und jemand wie Devendra Banhart, der die Hälfte der Zeit in Mädchenkleidern herumläuft, in Interviews von seinem weiblichen Bewusstsein spricht und mit Bianca Casady von CocoRosie eine Freundin hat, die sich ab und zu einen Schnauzbart anmalt und Matrosenuniform trägt? „Ich mag seine Stimme, und mir gefallt auch, was CocoRosie machen. Beide stehen allerdings eher in einer amerikanischen Tradition, die viel mit Blues zu tun hat Ich habe diese Art von Musik nie so ganz verstanden. Ich sehe es fast als meine Pflicht, mich von amerikanischen Einflüssen fernzuhalten, mein Englischsein beizubehalten, ohne deswegen ein Fußballfan oder ein Skinhead zu sein. Einfach dort zu bleiben, wo ich mich auskenne, wo ich herstamme.“

Eine Identitätssuche, die sich allerdings nicht an bestehenden Rollenmustern orientiert, sondern gerade am Auflösen bestehender Strukturen interessiert ist In Patrick Wdfs Musik geht es um das Aufspüren von Zwischenräumen, in denen jenseits von Klischees die wirklich spannenden Sachen passieren. „Wind ln The Wires“ lebt von diesen Spannungen. ,Jch bin mit Dualitäten aufgewachsen – persönlich wie kreativ – und habe dieses Prinzip verinnerlicht. Auch musikalisch habe ich nie einen Unterschied gesehen zwischen dem Geräusch, das meine Violine macht, und dem meines Syntesizers. Es ist alles magisch, es ist alles Sound.“

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