Elvis der Finsternis

Bela B. hat ja weiß Gott mit den Ärzten schon so einiges durchgemacht. Als er aber kürzlich den großen Lee Hazlewood vom Flughafen abholen musste, schlotterten selbst ihm die Knie. Da war es ungemein hilfreich, daß Herrn Bs Nervenkostüm durch einen Kater vom Vorabend noch leicht sediert war und sich so „die Nervosität erst gar nicht richtig entwickeln konnte“. Der Auslöser des ganzen Aufruhrs erhebt indes energisch Einspruch: „Glauben Sie ihm kein Wort“, sagt Hazlewood, 76, bei Schnaps und Zigarette. „Er kokettiert. Eigentlich war er die Ruhe selbst und äußerst smart.“ Ohnehin bestünde keinerlei Anlass, bei seinem Anblick vor Ehrfurcht zu erstarren, da gäbe es ganz andere: „Sinatra zum Beispiel, der konnte einen aus der Ruhe bringen, das ging damals jedem so.“

Anlass für den prominenten Besuch: „Bingo“, Belas Solodebüt, auf dem es ein Duett mit „Some Velvet Morning“-Lee gibt. Nach etlichen Kollaborationen und einer Zweitkarriere im Schauspielfach wollte sich der langjährige Hazlewood-Fan Bela B. für den ersten großen Alleingang „einen Traum erfüllen“. Nun muss man wissen, dass der Adressat mit Anfragen wie dieser für gewöhnlich wie folgt verfährt: „Ich bespreche die Sache mit meiner Frau sie hat immer das letzte Wort -, und wenn es verspricht, lustig zu werden und sie zustimmt, mache ich es. Schließlich brauche ich mir und anderen nichts mehr zu beweisen.“ Und so sitzt der ältere Herr jetzt hier- im Florida-Rentner-Outfit mit Goldkette, Polo-Hemd und Basecap: Freitag angekommen, Samstag ins Studio, nach drei Stunden war alles fertig. Alte Schule. Von Bela B. hatte er vorher natürlich noch nie gehört, aber: Seine Tochter kannte Die Ärzte.

Der auf der Bühne als Selbstdarsteller „mit schwarzen Haaren und dem ganzen Scheiß“ bekannte Bela jetzt also alleine. Ganz zum Spaß wollte er vor einigen Jahren mit Freunden einen Sampler-Beitrag produzieren, da seien die mit der Album-Idee an ihn herangetreten. Die hat ihm zunächst Bauchschmerzen bereitet, weil von Anfang an klar war, „welchen Vergleichen ich mich damit aussetze. Es werden ganz sicher Dinge passieren, die mir nicht gefallen“.

Während wir miteinander reden, steht Farin Urlaub auf Platz eins der deutschen Charts. Mit einem Live-Album! Zur Entschärfung der Situation haben Bela und Farin Tour- und Veröffentlichungspläne genau abgesprochen. „Bei den Ärzten gibt es eine gesunde Konkurrenz zwischen uns. Außerhalb der Band darf ich das aber keinesfalls an mich heranlassen.“ Dazu passt, daß Bela bewusst auf die altbewährten Ärzte-Strukturen verzichtet-anderes Management, andere Plattenfirma, Musiker aus anderem Umfeld.

Zudem klingt die Platte auch anders als die des Kollegen. Allerdings auch anders, als man das von Bela erwartet hätte: Die Metal-Leidenschaft und sein Faible für Düsternis sind klar unterrepräsentiert, stattdessen regieren Twang-Gitarren, Surf-, Beat- und Hawaii-Schubidu. Er, der Showman, wollte „eine dreckig-glamouröse Las-Vegas-Platte“ aufnehmen. Mit Stücken wie „Traumfrau“ hat er sogar die Tradition des beschwipsten Stimmungslieds für sich entdeckt – bislang ja eher eine Domäne der Düsseldorfer Kollegen von den Toten Hosen.

Witzig ist das meiste schon, wenn auch bisweilen etwas plump. Die Verbindung zwischen unterschiedlichen inhaltlichen Ebenen soll dadurch erreicht werden, „daß die Texte, auch die etwas flacheren, alle tief empfundene Gedanken von mir sind. Das kommt natürlich nicht immer ganz so direkt rüber wie bei (der ersten Single) ‚Tag mit Schutzumschlag‘, ist aber immer aufrichtig.“ Aufrichtigkeit. Ein wichtiges Wort.

Briefe an Bela, fangen mitunter so an: „Hallo Dirk, wir lieben dich und hören deine Musik schon seit wir fünf sind- also seit neun Jahren!“ Der Mann ist 43, bleibt aber seit über 20 Jahren stets für nachwachsende Generationen interessant. Ein Phänomen, das er natürlich ebenfalls mit Aufrichtigkeit erklärt. Als kürzlich in einer Umfrage ermittelt wurde, welche Band ganz junge Leute am liebsten nackt sehen würden und die Ärzte (nach Tokio Hotel und US 5) auf dem dritten Platz landeten, hat er sich aber schon gefragt, „was die noch von uns faltigen alten Säcken wollen“. Es gibt wenig mögliche Antworten.

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