ESC: Kalush Orchestra im Visier der Propaganda – was am „Hitlergruß“ dran ist

Inflation der Hitlergrüße. Videomontagen auf Social Media stellen Siegerband unter Faschismus-Verdacht

Internationale Fakten-Checker bekamen viel Arbeit, nachdem die ukrainische Siegerband Kalush Orchestra auf diversen Social-Media-Kanälen unter Faschismus-Verdacht gestellt wurde. Als Beweisführung diente dabei ein angeblicher Hitlergruß, den Kalush-Sänger Oleh Psjuk nach der Übergabe des Siegerpokals zum Ende der TV-Gala gezeigt haben soll.

Die Fernsehbilder zeigen den Abgang seiner Band, als Psjuk noch einmal mit seinem ausgestreckten rechten Arm und „Winke-Hand“ ins Publikum grüßt. Bereits kurze Zeit später existieren davon Clip-Montagen, welche diese Szene verfremden oder aus dem Zusammenhang reißen.

Eine verkürzt etwa den Jubelgruß und zeigt lediglich eine Seitenaufnahme der Hand als „Beweis“ der Fascho-Umtriebe. In einem anderen Bildmix ist der Ausschnitt soweit verkleinert, dass die Handhaltung gar nicht mehr zu erkennen ist. Diagnose: Führergruß.

Zusammengequirlt mit der offiziellen russischen Staatspropaganda, die Ukraine durch den Krieg von faschistischen Strukturen befreien zu müssen, unterstellen pro-russische Aktivisten der Band eine Nähe zum Asow-Regiment. Dieses hat seine Wurzeln in einer rechtsradikalen Bewegung. Nach dem ESC-Auftritt hatte Psjuk für die eingeschlossenen Verteidiger des Stahlwerks Azovstal in Mariupol gefordert: „Helft bitte der Ukraine, Mariupol, helft Azovstal jetzt!“

Im Zuge dieses holzschnittartigen Furors wird auch der polnischen ESC-Moderatorin Ida Nowakowska Nazi-Gestik untergeschoben. Als sie die volle Zwölfer-Punktzahl aus ihrem Land für den Siegersong „Stefania“ bekannt gab, soll auch ihre Hand zum Hitlergruß empor gegangen sein. In den offiziellen Aufzeichnungen sahen die Recherche-Teams Finger, die ein Peace-Zeichen formten. In der Montage sah das wiederum ganz anders aus.

Die Verwandlung der Jubelgesten rund um das Kalush Orchestra in Hitlergrüße mag technisch platt und fast schon Comedy-mäßig wirken, wenn es nicht so traurig wäre. Die Strategie der Anti-Ukraine-Aktivisten zielt darauf ab, dass doch ein Restverdacht nachglüht.

Zudem werden sich die ohnehin Überzeugten der „Sonderoperation“ bestätigt fühlen, dass sich der „Westen“ selbst auf dem Feld der harmlosen Popmusik gegen Russland verschworen hat. So wird aus der bisherigen Knallbonbon-Sause ESC eine Arena der Politik.

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