Findet Psycho Jones!

Sie sind von der Rock-Schule geflogen, von Michael J. Fox und Chuck Berry beeinflußt: 200 Sachen mischen die Beatbox auf

Der süße, süße Klang des Rock’n’Roll hat mein Leben gerettet, und das war so… Nein, die folgende Variante kannten wir noch nicht, ganz ehrlich nicht. „Michael J. Fox in .Zurück in die Zukunft“‚ zu sehen, sei der Zündfunke gewesen, der Teufel an der Weggabelung, der Moment des geilen Verderbens, sagt Fabi, Bassist von 200 Sachen, die anderen nicken enthusiastisch. „Alle wollten hinterher Skateboard fahren“, sagt Gitarrist Tob. „Ich wollte Skateboard fahren und Gitarre spielen.“

Wer das Juwel des Achtziger-Jugendkinos nicht kennt: Skateboarder Marty McFly (gespielt von Fox) reist aus Versehen ins Jahr 1955. und bevor er am Ende in die Gegenwart heimkehrt, verblüfft er das Abschlußball-Publikum mit einer aus der Zukunft mitgebrachten (und von Van Halen beeinflußten) Version von Johnny B. Goode“. Rock’n’Roll wird da an einer Stelle gespielt, an der es ihn rechnerisch noch gar nicht gibt – Hunderte von jungen Zuschauern wurden inspiriert, beteuert die Band, und jetzt kommen die ersten Platten von denen raus.

200 Sachen name checken den Film (Experten finden einen Hinweis in „Was du willst“), aber auch den wirklichen Chuck Berry, im Manifest-Song „Beatbox“, dessen Text lustigerweise wie ein Fifties-Twist’n’Roll-Schlager klingt („Hey Baby, warum zierst du dich bloß? Nimm meine Hand, und dann geht es los!“), obwohl es eigentlich eine Ode an die Retro-Disco der Jetztzeit ist: an die „Beatbox“, freitags im Schlachthof Wiesbaden, aufgelegt von einem irren Bühnenbildner, der sich Psycho Jones nennt. 200 Sachen haben – romantischer geht es nicht – dem DJ ein Denkmal gesetzt, auf dessen Tanzfläche sie sich quasi gegründet haben.

Das ist zur Abwechslung kein Helden-Juli-Indie-Rock, sondern eine grimmstiefelige Garagen-Punk-Bande, zwei sogar mit MC5-Afro-Helmhaaren, und die blonde Sängerin Katta (alle haben nur Vornamen) als maulende Mofa-Mieze, die oft aus der Gurgel vibriert wie eine der Ledermähnen, die Ende der Siebziger in der „Brigitte“ als kommendes Rock-Matriarchiat gelobt wurden. Ein Riesenschlag war 2004 das Mini-Album „200 Suchen EP“ („Komm auf n Punkt, Baby, zier dich nicht/ Morgen früh sitzt du an meinem Tisch, ich krieg dich!“), eine Feier des nichtsnutzigen, wildschweinscharfen Party-Rock’n’Roll. Für das Debüt-Album „Reich und schön“ haben sie den Schaum jetzt ein wenig gedrosselt, ein paar Gags eingebaut: als ob sich Peter Kraus und Conny Froboess eine hohe Dosis Wodka ins Blumenwasser gegossen hätten.

Gitarrist Tob: „Für Tanzmusik braucht man nicht viel. Man braucht ein gutes Riff und ’nen fetten Beat. Und die Katta. Das ist keine Musik für Musiker.“ „Wenn ich jetzt zum Beispiel Portishead wäre, ich würde sicher irgendwann nur noch weinen nach der Show. Ich muß was Fröhliches machen. Meine Arbeit soll mir ja Spaß machen!“ sagt Katta, die übrigens tatsächlich ein Semester an der Mannheimer Pop-Akademie studiert hat. „Ich dachte, da kann man alle Instrumente mal anfassen und sich austoben, aber dann war es so, daß 80 Prozent des Jahrgangs noch nicht mal wußten, wer die Strokes sind! Ich hatte keine Lust, mit irgendeinem von denen eine Unterrichts-Band zu bilden, und so habe ich dann beim Nu-Jazz-Projekt eines abgedrehten Freaks mitgemacht. Dafür hab ich eine Drei minus bekommen.“ Die Band-Jungs wollten erst verhindern, daß Kattas uncooles Studium überhaupt publik wird. Als sie von der Schule geflogen war, fanden sie das dann umso zünftiger.

Und jetzt sind sie schon richtig im Fernsehen, am 9. Februar beim Bundesvision Song Contest von Stefan Raab, wo sie (dank einer mühsam zurechtgeschmökelten Herkunfts-Erklärung) für Rheinland-Ptalz starten sollen – was ihnen ein paar alte Mit-Twister und -Shaker aus Wiesbaden ein bißchen übelnehmen. „Sekt zum Frühstück“ heißt der Song. Der Titel wird im Konzert oft falsch verstanden, aber die „Beatbox“-Ahnen von 200 Sachen hätten das besonders gern gehört.

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