Fladen Deluxe

Ursprünglich war der Burrito ein Taco, dann wurde er zum Fastfood-Hit und Inspiration einer tollen Band. Zeit für eine Würdigung

Nach nun schon drei „Genuss“-Kolumnen fragt sich vielleicht der eine oder andere Leser, wie der ROLLING STONE eigentlich zu einer Seite über Essen und Trinken kommt. Tja, am Ende ist es wie so vieles (Emmylou Harris zum Beispiel oder der Fortbestand der Rolling Stones) Gram Parsons zu verdanken. Oder genauer: seinem ehemaligen International-Submarine-Band-Bassisten Ian Dunlop, der eine Band namens The Flying Burrito Brothers gründete, deren Name alsbald von Parsons abgekupfert und zusammen mit Chris Hillman zu kurzer Blüte und langem Ruhm geführt wurde. Die fliegenden Eselsbrüder waren es denn auch, die bei der Geburt dieser Seite Hebammendienste verrichteten. Denn der Chefredakteur sagte irgendwann, als es um Rock’n’Roll und Kochen, also das Herz dieser Kolumne ging: „Okay, du erklärst uns den Burrito – die Flying Burrito Brothers können wir selbst!“ Und weil ich Gram Parsons spät, aber innig in mein Country-Herz geschlossen habe, versprach ich, den Ursprung dieses Gerichts zu ergründen.

Zum Glück hat in Madrid das PuntoMX (www.puntomx.es) eröffnet, dessen Betreiber Roberto Ruiz die mexikanische Küche auf ihre präkolumbianischen Traditionen zurückführen und gleichzeitig auf den neuesten Stand der Kochkunst bringen will. Was sich am Burrito hervorragend demonstrieren lässt. Denn der Burrito ist eigentlich eine Erfindung der Azteken. Oder besser gesagt der Taco, denn der aus Weizenmehl gefertigte Burrito ist allenfalls so etwas wie der Neffe dritten Grades des Originals, des natürlich aus Maismehl gefertigten Tacos. „Für die Gringos eben“, fügt Roberto schelmisch hinzu.

Tatsächlich heißt die überdimensionale Weizenmehl-Tortilla eigentlich nicht einmal Burrito, sondern Sobaquera, was so viel wie Achselhöhle oder Schulterhalfter bedeutet, und wird mit Bohnen, Hackf leisch, diversen Saucen sowie einem in Essig und Oregano marinierten Kohlsalat gefüllt und ist vor allem in den mexikanischen Regionen Sonora und Sinaloa beliebt. Zum Burrito, was Eselchen heißt, wurde sie erst nördlich der Grenze, wo die mexikanischen Immigranten den tatsächlich an einen Eselspenis erinnernden gerollten Fladen den Gringos schmackhaft machten und sich gleichzeitig ein subversives Späßchen gestatteten. Das Gekicher der Peones, die dem ersten Yanqui zusahen, wie er versucht, sich einen 40 Zentimeter langen Burrito zwischen die Lippen zu schieben, hallt noch heute über die Mesa von Texas, Arizona und Kalifornien bis hinauf in die Sierra.

Dass die Weizen-Tortilla überhaupt den Mais-Taco verdrängen konnte, liegt hingegen an der Ignoranz der spanischen Eroberer, die, als sie sich das circa 5000 Jahre alte Nahrungsmittel der Azteken aneigneten, nicht darauf achteten, den Mais zuvor zu nixtamalisieren, sprich in Kalkwasser zu köcheln bzw. zu fermentieren. Die Folge waren Mangelerscheinungen, weil dadurch wichtige Nährstoffe nicht freigesetzt wurden, und die weltweite Ächtung einer bewährten Nutzpflanze wegen vermeintlich schäbiger Qualität.

Roberto Ruiz und seine Truppe wollen nun wieder zu alten aztekischen Qualitäten zurückfinden, und bereiten ihre Tacos streng nach der präkolumbianischen Methode zu, die, so haben wissenschaftliche Untersuchungen herausgefunden, sie nicht nur bekömmlicher macht, sondern ihren Kalziumgehalt um das bis zu 24-Fache erhöht. Auf diesen handwarm und frisch servierten güldenen Palästen der Sünde kredenzen sie dann von Escamoles (Ameiseneier) über Chorizo Verde (eine mit Koriander, Mangold und Serrano-Chilis gewürzte Wurst) bis hin zu mit X’nipek (scharfe Sauce) übergossene Carnitas aus konfiertem Schweinefleisch. Alles Neuinterpretationen von Klassikern der mexikanischen Küche. Und so machen sie den labberigen Burrito, bei dem der langweilige Bohnengeschmack dominant ist, recht obsolet.

MEZCAL – DER SCHNAPS ZUM ESELSPENIS

Während hierzulande immer noch ökologisch gewonnene Tresterschnäpse als Ausweis höchsten Genusses gelten, wird in den USA derzeit eine andere Droge wiederentdeckt: der hauptsächlich aus Oaxaca stammende Mezcal. Die Brennereien, die die von den Mescaleros im Gebirge über Jahre, manchmal Jahrzehnte an der Blüte gehinderten Agave-Kakteen zu Mezcal destillieren, sind dem Beispiel der Whiskeybrenner gefolgt und bieten besonders edle Brände an: Die werden aus bis zu 37 Jahren alten Pflanzen gemacht – denn was dem Single Malt die Zeit im Fass, ist dem Mezcal das Alter der Kaktee. Es empfiehlt sich, nach Marken wie Real Matlatl, Rey Campero, El Jolgorio, Mezcales de Leyenda, Gracias a Dios oder Agave de Cortés zu suchen. Staubtrocken, gleichzeitig sämig-mild und mit gewaltiger geschmacklichen Breite. Auf den Wurm kann man übrigens gut verzichten.

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