Freiheitsfallen im Netz

Es ist nicht gerade hip, für Urheberrechte zu kämpfen: Agnes Krumwiede macht es trotzdem

So schnell kann’s gehen. Mit atemberaubender Geschwindigkeit ist in den letzten zwei, drei Monaten die Debatte um das Urheberrecht hochgekocht. Das Internet als Kampfzone einer übersprudelnden Mediendiskussion, die zuletzt verzweifelt vor der entscheidenden Frage stand, was aus all den furios vorgetragenen Argumenten verdammt noch mal werden soll: Wo bleibt die Aktion, wann kommen konkrete Schritte? Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die sich Anfang Juni nach längerem Schweigen erstmals wieder offiziell äußerte, bremste alle Erwartungen auf ein „Superreformgesetz“, wie sie es nannte. Im Hinblick auf das hierzulande herrschende „urheberrechtliche Mikromanagement“ sei eher mit kleineren Neuregelungen von Paragraf zu Paragraf zu rechnen. Sprich: Nur wenige Konflikte der digitalen Welt werden bis zu den Bundestagswahlen im September 2013 in Deutschland gelöst werden. Und die vielfach nötige Synchronisierung mit EU-weiten Regelungen verspricht ebenfalls ein zäher Marathon zu werden.

„Die politische Arbeit daran ist sehr kleinteilig. Für eine große kulturelle Revolution taugt das Ganze jedenfalls nicht“, sagt Agnes Krumwiede im Hinblick auf den Wirbel um die Positionen der Piratenpartei. Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag sitzt in ihrem Büro im Abgeordnetenhaus Unter den Linden, wo einst das Handelsministerium der DDR untergebracht war. Lange Büroflure statt Cyberspace. Ein nüchtern-funktionaler Ort, der perfekt zum aktuellen Zustand der Auseinandersetzung passt. Ein Kosmos, aus dem auch jene Netzpolitiker stammen, welche die Parteien in den letzten Jahren aufs Schild gehoben haben. Zumeist jüngere Abgeordnete wie Jimmy Schulz (FDP), Dorothee Bär (CSU), Lars Klingbeil (SPD) oder Konstantin von Notz (Grüne), die etwas von der trendigen Piraten-Denke in die etablierten Lager tragen sollen. Die bayrische Abgeordnete Agnes Krumwiede, die erstmals im September 2009 für den Bundestag kandierte, bildet in diesem Umfeld eine Art Gegenpol. Eine diplomierte Konzertpianistin, für die das Internet „keine Gottheit ist, sondern lediglich ein Medium und eine praktische Vermittlungsform“. Ihre damalige Wahlkampagne drehte sich auch um Studiengebühren und Bildungschancen für Migrantenkinder. Doch als engagierte Sachwalterin für E- und U-Kultur bemerkte die frisch gebackene Abgeordnete bald, dass sich auf Parteiebene neue Baustellen auftaten.

„Als ich damals nach Berlin kam“, sagt die 35-jährige Politikerin, „kursierte bei uns bereits das Phantom Kulturflatrate. Aber es gab kein Konzept. Das Thema blieb ein brodelnder Vulkan. Ich habe mir unsere damaligen Thesen angeschaut und mir wurde schnell klar, dass man das Urheberrecht nicht der Netzpolitik überlassen darf. Es bestand dringeder Interventionsbedarf.“

Sie hat sich eingemischt, ist dazwischen gegrätscht. Im Gegensatz zur netzpolitischen Linie ihrer Partei hält sie nicht viel von einem staatlich organisierten Vergütungsmodell, das die Grünen gerade per Gutachten überprüfen lassen. Schon der Begriff sei unglücklich gewählt, sagt sie. Das klinge nach „Geiz ist geil“ und pauschalisierter Verramschung von Kulturleistung. „Das nächste Problem sehe ich bei der Folgenabschätzung: Wie sind die Auswirkungen auf bestehende legale Modelle, die gerade beginnen ansatzweise zu funktionieren? Wäre eine solche ‚Zwangsabgabe‘ für alle Haushalte sozial verträglich – die angemessene Vergütung für die Urheber mal vorausgesetzt. In diesem Bereich gibt es zwischen den Fachpolitikern Konfliktpotential, und ich verwende darauf mittlerweile viel Energie. Es geht um das künftige Schicksal sehr vieler Künstler und da bin durchaus emotional engagiert!“, sagt Krumwiede mit einem Grinsen. Schließlich gilt sie bei einigen Netz-Aktivisten mittlerweile als Lobbyistin der viel geschmähten „Verwerter-Industrie“.

Dabei versteht sie ihr Engagement eher als Herzensangelegenheit, nicht nur aufgrund ihrer Erfahrungen an der Musikhochschule: „Erzählen sie doch mal einem introvertierten Spitzenpianisten oder anderen Musikern, die sich 14 Stunden am Tag in ihren Instrumenten versenken, sie sollen sich selbst vermarkten. Das ist nicht deren Job! Gerade im Independent-Bereich bedeutet die Zusammenarbeit mit einem Label oder Verlag eine arbeitsteilige Partnerschaft, bei der auf beiden Seiten nicht viel hängen bleibt.“ Sie erzählt die Geschichte ihrer Kumpels, der Band Slut aus Ingolstadt, deren Entwicklung sie seit den ersten Auftritten verfolgt hat. „Von daher weiß ich, wie sehr gerade Nachwuchsbands auf Partner – Produzenten, Label und Marketing – angewiesen sind, die an sie glauben und in ihre Musik investieren. Dadurch werden professionelle Einspielungen finanzierbar, die dann oft überregionalen Erfolg ermöglichen. Bei allem Reformbedarf beim Urhebervertragsrecht, den ich zweifellos sehe, muss man sich doch sehr genau mit den Verhältnissen beschäftigen, unter denen Kunst und Unterhaltung seit Jahrzehnten produziert werden.“

Es sei schon bemerkenswert, sagt Krumwiede, dass man als spießig und konservativ angesehen werde, wenn man als jüngere Politikerin für Urheberrechte eintrete. Und damit auch Privatkopien nicht uneingeschränkt zulassen will, ohne gleich zur Netzsperren-Hardlinerin zu werden. Doch mit diesen Vorwürfen kann sie gut leben. „Ich glaube nicht an uneingeschränkte Freiheit. Es lässt sich nicht jede Urheberrechtsverletzung verfolgen, aber auch im Internet müssen Regeln gelten und das heißt: Es wird weiterhin Abmahnungen geben! Wir müssen darüber diskutieren, wie Unverhältnismäßigkeiten bei Abmahnungen vermieden und im Rahmen grüner Datenschutzkriterien durchgesetzt werden können.“

Alles Wesentliche, da macht sie sich keine Illusionen, werde eh in einem vielstimmigen Prozess ausgetragen. Demnächst mal wieder bei der öffentlichen Urheberrechtstagung der Grünen Ende August in Berlin. Ein Schlagabtausch vor breiter Basis. Als nächstes Kapitel im Mikromanagement politischer Willensbildung.

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