Freundliches Genie

Magische Momente: Campino erinnert sich an seine Dreharbeiten mit Dennis Hopper und dessen legendäres Werk.

Obwohl es schon lange Gerüchte gab, dass es ihm extrem schlecht ging, hat mich die Nachricht von seinem Tod sehr getroffen. Ich empfinde große Dankbarkeit dafür, dass ich Dennis Hopper überhaupt kennenlernen durfte. Die Erfahrung mit ihm arbeiten zu können, hat mein Leben bereichert. Die gemeinsamen Dreharbeiten dauerten zwar kaum länger als eine Woche, waren aber ungeheuer intensiv.

Ich hatte vorher versucht, in meinem Kopf auszuschalten, mit was für einer Legende ich in diesen Tagen arbeiten würde. Es ist mir nur teilweise gelungen. Allerdings war ich überrascht, wie bescheiden er war. Dennis war mit einem seltsamen Kerl namens Satya De La Manitou nach Palermo gekommen. Wie Wim erzählte, war der auch schon zu Zeiten von „Der amerikanische Freund“ mit Dennis gemeinsam unterwegs. Er war im selben Alter wie Hopper und ein unheimlich lustiger Typ. Mit ihm ist Dennis auch ständig seine Texte durchgegangen. Sie wirkten wie die beiden Opas aus der Muppet-Show und haben immer übereinander Witze gemacht, aber man spürte, wie sehr sie sich mochten. Die beiden waren fast ununterbrochen zusammen, außer an den Tagen, an denen drehfrei war und Dennis alleine mit seiner Fotokamera durch Palermo zog.

Er sah in diesen Tagen gesund und relaxed aus, ein vornehmer älterer Herr mit Style. An dem Morgen, an dem er seine erste Szene drehen sollte, ging er in die Maske, um sich eine Vollglatze rasieren zu lassen inklusive wegrasierter Augenbrauen. Er hatte sich in der Nacht überlegt, dass der Tod so aussehen müsste. Ganz oder gar nicht – mit dieser Einstellung schlüpfte er zu 100 Prozent in seine Rolle.

Vor unseren gemeinsamen Szenen hatte ich einen Mordsrespekt. Ich wollte vor ihm nicht meinen Text vergessen. Er war sehr freundlich und professionell, das hat mir sofort meine Ängste genommen. Im Nu war das Lampenfieber weg. Von allen Schauspielerfahrungen in meinem Leben war das das einzige Mal, dass ich mich vollständig vergessen konnte und nur noch in der Rolle war. Das lag schlicht und ergreifend daran, dass er mich auf seine Reise mitgenommen hat. Jemand wie er konnte fast jeden gegen die Wand spielen, wenn er wollte. Stattdessen hat er mir die Bälle zugespielt, so gut es ging, und alles schien in diesem Moment wie von selbst zu gehen. Wahrscheinlich hätte Dennis auch mit einer Nachttischlampe spielen können, und sie hätte dabei nicht schlecht ausgesehen.

Das Wim und ihn eine tiefe Freundschaft verband, hat den Ausschlag gegeben, dass alles so spielerisch leicht von der Hand ging. Meistens saßen wir in den Pausen zusammen an einem Tisch, und wenn Dennis von früher erzählt hat, war das für mich ein bisschen wie eine Märchenstunde. Es waren unglaubliche Geschichten aus einer fernen Welt: Da saß jemand, der mit Elizabeth Taylor, mit James Dean, mit John Wayne gearbeitet hat. Das alles fühlte sich für mich irgendwie unwirklich an. Da kamen Kindheitserinnerungen hoch, wie man vor einem von drei Fernsehkanälen in diesem Land sitzt, einen alten Schwarz-weiß-Film aus Hollywood sieht und ganz ergriffen ist. Dennis hat diese einmalige Pionierzeit mitgemacht und dann auch noch mit „Easy Rider“ eine neue Ära eingeleitet. Mit diesem Film kann ich heute noch mehr anfangen als damals. Früher war das für mich nur eine Abenteuergeschichte über Motorrad-Freaks. Heute kann ich die Bedeutung des Films im geschichtlichen Kontext viel besser einordnen. Sein Ende ist immer noch überraschend und bedrückend. Es zeigt uns die hässliche Seite Amerikas und was der Redneck-Spirit bedeutet. Gerade in der Bush-Phase passte der Film dann wieder herrlich. Er zeigt ein Stück Amerika, das wir hassen: Etwas Kleingeistiges in dieser großen Weite.

Dennis Hopper war ein Genie. Film, Malerei, Fotografie, er hat überall seinen Stempel hinterlassen. Neulich habe ich mir noch mal die Retrospektive „Photographs, 1961 – 1967“ angesehen – fantastische Bilder! Er war in seinem Leben mehrmals genau am Puls der Zeit. Und doch hatte er es nicht nötig, sich wie ein Star aufzuführen, er behandelte alle auf Augenhöhe, in jeder Situation souverän.

Aufgezeichnet von birgit Fuss

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