Gastro-Abenteurer

Abenteuerlust muss angeboren sein. Alex Kapranos hatte sie schon immer. Erwar noch keine zwei Jahre alt, da fraß er sich zu Hause bei Muttern durch all die Häppchen, die für eine abendliche Party bereitstanden. Gefiel ihm ganz gut -Chips, Zwiebeln, Marshmallows, Käse -, bis er zu den Erdnüssen kam. Da entdeckte der kleine Alex, dass er eine Allergie hatte, und spuckte der erfreuten Mama den neuen Teppich voll. So begann seine kulinarische Entdeckungsreise auf dieser Welt.

Heute ist Kapranos fast 35, obwohl ihm eine Wahrsagerin in Hongkong prophezeit hatte, er werde sein 34. Lebensjahr nicht heil überstehen. Ihre Empfehlung, nicht schnell Auto zu fahren oder im Flugzeug zu fliegen, konnte er leider nicht befolgen.

Er ist Sänger bei Franz Ferdinand und deshalb ständig unterwegs, um Konzerte zu geben – und nebenbei die interessantesten Restaurants zu testen. Vor der Musikkarriere war Kapranos mal Koch und Caterer. Ein schlauer Mensch bei der britischen Zeitung „The Guardian“ hatte das bemerkt und bot ihm eine Kolumne an, in der er Gastro-Tipps (und dazu ein paar lustige Band-Anekdoten) schreiben sollte. Diese Geschichten gibt es jetzt gesammelt auf 160 Seiten: „Sound Bites – Essen auf Tour mit Franz Ferdinand“ (Kiepenheuer & Witsch) führt die Leser einmal um die Welt, und überall gibt es spannende Genüsse – oder eben grässlichen Fraß. Während sich erfolgreiche Bands hierzulande die Dienste der „Roten Gourmet Fraktion“ sichern und so backstage immer Leckereien stehen haben, muss sich Kapranos mit Chips, pappigen Brötchen und kalter Pizza herumschlagen, „wenn es die Zeit zwischen Soundcheck, Gig und Besoffen-im-Bus-Sitzen erlaubt“. Kein Wunder, dass der Mann gern essen geht.

Erstaunlich ist allerdings, mit welcher Liebe Kapranos sich dem Thema widmet: wie er detailliert den Geschmack aller Gerichte beschreibt, jede Empfindung beim Kauen schildert. Man liest aus jeder Zeile die Begeisterung fürs Essen, für neue Gerichte und Geschmacksrichtungen.

In New York wagt er sich an Markknochen mit Marmelade, in Paris probiert er Muskelmagen, in Buenos Aires sogar Stierhoden: „Ich bin überrascht, als sich herausstellt, dass sie auch nicht viel größer sind als meine eigenen.“ Sie schmecken übrigens nicht so toll, „wie einen Hand voll Pennies mit Grünspan“. Und dann, in Japan, kommt das Unausweichliche: der Kugelfisch. Eine von ioo Portionen ist angeblich tödlich. Kapranos denkt nicht darüber nach, was Franz Ferdinand ohne ihn machen würden, er ist ja ein selbsternannter Gastro-Abenteurer. Er bestellt den Fugu und muss feststellen: „Von Iglo gibt es so was Ähnliches“, man nennt es Fischstäbchen. Ist das Risiko also nicht wert.

Auch in Deutschland hat er sich umgesehen, aber das ist leider nicht so aufregend: In München besucht er den Christkindlmarkt und verspeist Lebkuchen, Leberkässemmeln („sehr lecker“) und Krustenbraten, der „wie Lack unter einer Heißluftpistole aussieht“. In Köln probiert er Blutwurst und Sauerbraten, wird aber von doofen Tischnachbarn abgelenkt.

Ein paar weitere Stationen werden abgehandelt, und nach eineinhalb Jahren auf Tournee fährt er dann tatsächlich heim nach Glasgow, und das Buch ist zu Ende: „Was ich zu Hause esse, ist nicht interessant. Dasselbe wie alle anderen auch.“ Man kann sich das nur schwer vorstellen, zumal er vorher vehement das schottische Nationalgericht Haggis verteidigt hat: „Ich liebe diesen Sack voll Schafsinnereien und Hafermehl.“ Wohl bekomm’s.

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