Gelähmtes Grinsen

Eine Muppet-Show: das dysfunktionale Personal des „Morgenmagazins“ bei ARD und ZDF

Als das Frühstücksfernsehen zu den Öffentlich-Rechtlichen kam, war ich sehr traurig, denn ich trank morgens meinen Kakao und hatte keine Zeit zum Gucken, weil ich zur Schule gehen musste. Später bummelte ich manchmal und sah die berückende Maybrit Illner im ZDF, die damals (Achtung, Klischee!) ihre Liebschaft mit der Kamera begonnen hatte – die feurige Journalistin formulierte mit dem Furor einer Zigeunerin, die einem die Zukunft vorhersagt, und sie liebte die Sprache so sehr, dass sie umständliche Sätze und ungewöhnliche Worte bevorzugte. Später, als sie ihre eigene Talk-Show bekam, wurde daraus manierierter Quatsch wie „Viel Spaß beim Vermehren der gewonnenen Einsichten“ – aber die Illner ist noch immer eine semantische Wucht.

Die ARD-Frühschicht ab 5.30 Uhr leitete in den 90er-Jahren ein blasser Kurzhaariger: Steffen Seibert machte eine kleine Presseschau, die überraschend wie die Presseschau unter Journalisten wirkte, und trotz der frühen Morgenstunde war er hellwach – als er später „heute“ moderierte und die Statistiken bei Wahlgängen kommentierte, war sein Teint nicht weniger fahl und wächsern. Vielleicht lag es an den vier Kindern! Seibert war nüchtern, präzise und versammelt – Angela Merkel holte den besten Mann des ZDF, als sie Steffen Seibert kürzlich als Regierungssprecher engagierte; in dem Job wirkte auch mal der große Peter „Pepe“ Boenisch („Der Mond ist ein Ami!“).

Unvergessen bleiben die hilflosen Auftritte des verkrampften Bürschchens Peter Frey. Der Bebrillte sah aus wie Mutters Liebling und wunderte sich in der Ankündigung der Oscar-Verleihung 1998 darüber, dass „Titanic“ bei 14 Nominierungen nur 11 Preise gewonnen hatte – Potzblitz, eine Enttäuschung für James Cameron! Schlauberger wissen natürlich, dass Cameron auch den Drehbuch-Oscar eingefordert hatte, aber das meinte Frey ja gar nicht. Hölzern, unsicher und charismafrei qualifizierte er sich für das Hauptstadtbüro des ZDF und wurde schließlich zum Chefredakteur ernannt – vorher müssen alle anderen Bediensteten des Hauses ausgefallen sein.

Immer länger werdende Jahre unterhielt uns zur frühen Stunde der kichernde Lümmel Cherno Jobatey, ein Schwarzer mit Zopf, der es lustig fand, zum Langweiler-Anzug ein Paar klobige Turnschuhe zu tragen. Jobatey konnte seinen Text nicht fehlerfrei von einer Karte oder vom Teleprompter ablesen, er betonte alles falsch und verlas Nachrichten so leiernd wie jemand, der den Inhalt nicht versteht. Wenn er lachte – und er lachte über alles -, überschlug sich seine heisere Stimme, die auch schnell ins höhere Fach wechselte. Vor ein paar Monaten geschah das Unfassliche: Das ZDF setzte anstelle von Jobatey einen neuen Moderator ein, der allerdings ein Zeitungsschreiber von der „FAZ“ ist und wie ein Nussknacker herumstand und nicht wusste, wie er die Arme halten sollte. Wulf Schmiese verpatzte jede Ansage, verdrehte Worte und wurde von dem greisen Bundespräsidenten a.D. wie ein Vorschüler gemaßregelt. Zwar bleibt Schmiese seltsam viereckig, muss mit Leuten wie dem Sänger von Alphaville sprechen und beim atemraubenden „Richtig oder falsch?“ zwei ZDF-Becher vergeben – aber an seine rührend gescheitelte Unbeholfenheit kann man sich gewöhnen.

Niemals gewöhnen kann man sich an Sven Lorig im Ersten. Der Bubi hat die launige Art eines Strebers, der schon wieder die Hausaufgaben fertig hat, er stellt Fragen immer angestrengt locker vom Hocker und fürchtet sich vor Politikern nicht, wenn vorher alles aufgeschrieben wurde. Neben der beinahe journalistisch wirkenden Anne Gesthuysen und der WDR-Schwatzmamsell Anna Planken – die während der Sendung ihre Schwangerschaft ausplauderte – dreht Lorig richtig auf, wenn er ostentativ seinen Biedersinn und seine Durchschnittlichkeit beweisen kann – das qualifiziert ihn für Quiz-Sendungen, die man beim Kindergeburtstag als zu albern ablehnen würde. Sven Lorig wird deshalb als Nachfolger aller Figuren gehandelt, die bisher bei der ARD ein Unterhaltungsamt ausübten – würde man Reinhold Beckmann, Frank Elstner und Jörg Pilawa in einem Film von Christopher Nolan vermischen, käme wahrscheinlich Sven Lorig heraus.

Das ZDF entdeckte offenbar im Rahmen der Integrationsbemühungen junge Frauen mit Migrationshintergrund und schickt die Türkin Dunja Hayali vor die Kamera (bei der ARD wirkte als Urlaubsvertretung die künstlich wie in der Telefonsex-Werbung sprechende Golineh Atai). Burschikos stiefelt Hayali durch das Café, das im Berliner Zollernhof um 8.30 Uhr geöffnet wird und in dem Wandervereine, Schulklassen und Kegelclubs die orangensäftelnde Kulisse bilden. Hayali sagt Amateurbands an, die sich „Naturlich“ nennen und ein Lied spielen dürfen – jeden Tag kommt eine neue Truppe, und der Zuschauer soll eine auswählen, die wahrscheinlich wiederum im „Morgenmagazin“ auftreten darf. Zwischendurch berichtet ein bräsiger Herr namens Ben Wettervogel aus dem Regierungsviertel übers, jawohl: Wetter! Die angebliche Witzigkeit des Wetters hat der Amerikaner erfunden, und heute blödeln die spießigsten Meteorologen händewischend an der Isobarenkarte.

Wenn ich in der Frühe meinen Kakao trinke, sehe ich im ZDF neuerdings Anja Heyde. Sie ist feinherb, sie ist gescheit, sie kann sprechen. Schauen Sie gegen halb sieben mal hin.

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