Genius auf Hasch

Januar/Februar 1966

Als die Beach Boys im Januar 1966 auf Japan-Tournee gingen, blieb ihr Anführer Brian Wilson daheim in Bei Air, Kalifornien, in dem Haus, in das er nicht nur ein Tonstudio hatte einbauen lassen, sondern später auch einen Sandkasten. Nach einem Nervenzusammenbruch hatte Wilson das Touren aufgegeben. Und war fest entschlossen, als nächstes ein Meisterwerk zu kreieren. Die Beatles hatten „Rubber Soul“ veröffentlicht. Wilson wollte Lennon-McCartney noch übertreffen.

Das Ergebnis, „Pet Sounds“, sollte seinerseits die Beatles zu neuen Höhenflügen anstacheln: Paul McCartney nannte das Album als Inspiration für „Sgt. Pepper’s Londy Hearts Club Bund“. „Ich wusste, dass wir da etwas Besonderem auf der Spur waren“, sagt Wilson. „Und wir folgten stets meinem Gefühl.“

Er arbeitete mit dem Texter Tony Asher zusammen, dem Jinglekomponisten einer Werbeagentur, die für Mattel-Spielzeug oder Gallo-Wein Reklame gemacht hatte. Die zwei waren sich in einem Studio kurz begegnet, und Wilson hatte Asher aufgeregt einige neue Instrumentaltracks vorgespielt. Ein paar Wochen später – als er unter einer Schreibblockade litt und Capitol Records wegen des neuen Albums schon Druck machte – rief er Asher an. „Ich dachte zuerst, da spielt mir jemand von meinem Büro einen Streich“, sagt Asher. „Wir sollten nicht vergessen, dass er zu der Zeit ziemlich verzweifelt war.“

Wilsons Verhalten bei den Sessions war, gelinde gesagt, sonderbar. Eine Fernsehserie wie „Flipper“ rührte ihn zu Tränen, und er verweigerte das meiste Essen und ernährte sich von Krabbencocktail und Steak in Restaurants. Asher erinnert sich an einen Abend, an dem sie dermaßen viele Haschkekse verspeisten, dass er dachte, er würde sterben. Und doch: Jewirrer Wilsons Geisteszustand wurde, desto genialer gerieten seine musikalischen Ideen. Wilson und Asher begannen die meisten Sessions damit, dass sie eine Stunde lang zusammensaßen und sich über frühere Freundinnen unterhielten, was die textliche Richtung der Songs vorgab. Dann gingen sie ans Klavier. Wilson versuchte die Musik in seinem Kopf herauszulassen, Asher kritzelte auf einen Schreibblock. Als Produzent probierte Wilson hemmungslos alles aus. Für das Cembalo-artige Intro von „You Still Believe In Me“ öffneten sie das Klavier und zupften die Saiten von innen. „Das hatte ich längst mal versuchen wollen“, sagt Wilson. Fürs Instrumental „Let’s Go Away For A While“ benutzte er zwölf Geigen, vier Saxofone, Klavier, Oboe, Vibrafon, zwei Bässe, Percussion sowie eine Gitarre, die zwecks Steel-Guitar-Effekt mit einer Colaflasche auf den Saiten gespielt wurde. Gesangsgäste bei „Caroline, No“ waren Banana und Louie, Wilsons Hunde. „Ich weiß schon, dass es ein gutes Album war“, sagt Wilson, „aber wenn immer gesagt wird, es sei eines der besten…“ Er hält inne. „Dann ehrt mich das.“ Sein Lieblingstrack auf „Pet Sounds“ ist bis heute „God Only Knows“, denn, wie er sagt: „Liebeslieder mochte ich immer schon.“

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