Vor dem Start von Staffel sieben: Warum „Game Of Thrones“ vielleicht nicht mehr zu retten ist

14 Gründe, warum "Game Of Thrones" ohne literarische Grundlage nicht mehr viel wert ist

Mit der sechsten Staffel von „Game Of Thrones“ gingen die Serienmacher die eigenen Wege, die sie bereits am Ende von Season fünf eingeschlagen hatten, weiter. Was blieb ihnen auch anderes übrig: Da George R.R. Martin, der literarische Schöpfer der „Song Of Ice And Fire“-Saga, mit dem Schreiben nicht mehr weiterkommt, haben die HBO-Autoren D.B. Weiss und David Benioff die Story selbst weiterspinnen müssen –  wenn auch nach Absprache mit Martin. Er soll ihnen sogar das Ende des Epos verraten haben, sofern es irgendwann noch in Buchform erscheint.

Wir erklären, warum die Macher der Serie sich vielleicht auf dem Holzweg befinden.

1. Die Khaleesi kann nicht mehr viel, außer sich auszuziehen

Natürlich hat der Striptease von Emilia Clarke, die als begehrteste „GoT“-Schauspielerin gilt, seit jeher nur einen Zweck erfüllt: Die Männer bei der Stange halten. Aber zuvor wurden die Entblößungs-Einlagen in den Staffeln eins bis drei (danach war Clarke immer angezogen) wenigstens halbwegs in die Handlung eingebettet. Etwa, wenn die „Khaleesi“ ihrem neuen Liebhaber Daario Naharis mit einfachen Mitteln den Kopf verdrehen wollte. Diente der Story, lässt sich nicht dran rütteln. Clarkes viel beachteter Nacktauftritt in Staffel sechs aber hatte nur den Zweck Quote zu schaffen.

Die Khal-Sippe vergöttert die Drachenmutter ja nicht, weil sie sich auszieht – sondern weil sie unbeschadet dem Flammenmeer entsteigt.

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2. Alle anderen Nacktszenen: auch ohne Sinn und Verstand

Staffel fünf legte schon mal vor: Khaleesi-Dienerin Missandei wird beim Nacktbaden vom Soldaten „Grauer Wurm“ beobachtet – erst danach findet er sie so richtig hot. Warum erst dann? Königin Cersei hat das noch schlimmere Los getroffen. Wie in der Buchvorlage muss sie einen Bußgang durch ihre Stadt antreten. Nackt. Die Leute beschimpfen, bespucken, schlagen sie. Lena Headey, Top-Schauspielerin, spielt die Sequenz nicht selbst, sie lässt sich – es sieht gruselig aus – ihren Kopf digital auf den eines Körper-Models pflanzen.

Es geht nicht darum, ob man Headey gerne hüllenlos gesehen hätte. Sondern ob eine Darstellerin nicht noch glaubhafter aufgetreten wäre, hätte sie sich wirklich nackt präsentiert. Alternative: nur vom Hals aufwärts oder von hinten filmen. Kein Zuschauer hätte „Angsthase!“ gerufen, im Gegenteil: Der Fokus hätte auf  ihr Gesicht gelegt werden können. Dort spielen sich Emotionen ab.

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3. Die Khaleesi-Handlung führt derzeit ins Nichts

Wir erinnern uns: Daenerys Targaryen musste aus ihrer Stadt flüchten, auf dem Rücken ihres pubertären Drachens Drogon. Unglaublich, aber vier verschwendete Episoden lang wurde nur gezeigt, wie ein Dothraki-Clan sie entführt – den sie am Ende von Folge vier dann per Feuersbrunst auslöscht. Danach alles auf Anfang. Zurück in ihr Herrschaftsgebiet Meereen. Mehr Tiefe verlieh das alles der Figur nicht. Dafür hätte die Khaleesi weder abhauen, noch gefangen genommen, noch von Daario und seinem neuen Freund Jorah Mormont gesucht werden müssen.

Überhaupt hatte die Khaleesi, nochmal: die populärste Figur der Serie, in dieser Season so wenig zu tun wie noch nie.

Kurz gefasst: Sie wird für die Hälfte der Staffel entführt, sie wird befreit, sie kehrt zurück, sie steigt auf den Drachen, zerstört Schiffe der Invasoren und gibt im Finale den Befehl zum Sturm auf den Eisernen Thron. Damit geschieht genau das, was die Khaleesi schon gegen Ende der fünften Reihe ankündigte. Sie drehte sich zehn Folgen lang im Kreis. Ihr einzige Entwicklung: Sie ist derart machtbewusst geworden, dass sie ihren Liebhaber Daario in den Wind schießt, damit er ihrem Image nicht schadet.

Wie sehr die Meereen-Handlung von einer funktionsfähigen Daenerys abhängt, zeigte eine Szene ohne sie, die wie ein Offenbarungseid wirkt. Tyrion, Missandei und Grauer Wurm sitzen in ihrem Palast und haben nichts zu tun. Also erzählen die Drei sich Witze.

Es ist das erste Mal in „Game Of Thrones“, dass Langeweile zelebriert wird.

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3b) Auch die Partnerschaft von Tyrion und Varys führt ins Nichts

Ihre stärksten Momente hatten der Zwerg und der Eunuch, wenn sie auf auf der Flucht waren. In dieser Staffel beschränkten sich beide im sonnigen Meereen auf ein verbales Ping-Pong-Spiel, in dem sie sich gegenseitig ihr ungewöhnliches Aussehen vorwarfen.

Varys, die „Spinne“, war mal der interessanteste Chefplaner des Kontinents, niemand konnte ihm vertrauen, und wer von ihm profitierte, musste sich trotzdem zweimal absichern. In diesem „Warten auf Godot“ haben Varys und Tyrion augenblicklich ihren Reiz verloren. Vom zweiten großen Intriganten der Saga, Kleinfinger, wollen wir gar nicht erst reden.

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3c) Apropos Stillstand

Sam Tarly geht zehn Episoden lang auf Reisen um den Brief von Jon Schnee zu übergeben. Zwischendurch Krach mit Vater, der Sams Wildlingsfrau nicht am Esstisch haben will.

Am Ende gelangt Sam, der immerhin schon mal einen White Walker tötete, ans Ziel. Eine Harry-Potter-Bibliothek, die er mit offenem Mund bestaunt. Er ist an seinem ganz persönlichen Ziel angekommen. Wie kriegt man ihn da je wieder raus?

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3d) Das Gegenteil gibt’s auch: Charakterentwicklung im Schnelldurchlauf

Wir sollten froh sein, dass Sandor Clegane, der „Hund“, wieder da ist. Ist irgendwie ein Guter im Herzen, missbrauchter kleiner Bruder usw. Nur hätten wir nicht gedacht, dass er derart schnell zum Helden wird. Als Holzfäller versucht er einer sympathischen Sekte das Leben zu erleichtern, deren Chef weiß sogar um die mörderische Vergangenheit des schweigsamen Neuzugangs, es bringt die Zwei gar einander näher. Sandor träumt von einer zweiten Chance – die prompt zerstört wird, als er eines Tages ins Lager zurückkehrt und feststellen muss, dass die Betbrüder  und- schwestern allesamt massakriert wurden.

Der „Hund“ schnappt sich ein Beil und geht auf Rachefeldzug. So flink, wie man es sonst noch nie von ihm gesehen hatte – passiert alles innerhalb einer Folge.

Die Geschwindigkeit könnte auch den Autoren Magenschmerzen bereitet haben. Wie macht man die Situation glaubwürdig? Einfach einen bekannten Darsteller als Sektenchef engagieren, einer, um den sowohl Sandor als auch die Zuschauer schnell trauern! „Deadwood“-Star Ian McShane wurde angeheuert. Toll ihn zu sehen, wir schießen uns gerne auf ihn ein. Dass er nach 50 Minuten schon wieder tot ist – nicht bedauerlich, sondern irritierend. Ein seltsamer Versuch Gefühle an sich zu binden.

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4. Seltsame neue Allianzen

… womit wir beim nächsten Punkt wären. Die Bündnisse. Es hat den Eindruck, als entstünden bestimmte Partnerschaften nur, um lustige Situationen herbeizuführen. Nach dem Motto: Wir schmeissen die Ungleichen zusammen, da kommt schon was bei rum. Khaleesi-Liebhaber Daario Naharis wird mit Jorah Mormont gepaart, der Temperamentvolle mit dem alten Haudegen, der heimlich in die Khaleesi verliebt ist. Bislang war es aber für die Handlung irrelevant, dass es gerade diese zwei getroffen hat: Ihre gemeinsamen Szenen wirken wie das Produkt der Fantasie eines Kindes, das im Spiel mit Actionfiguren jeden mit jedem zusammenbringt.

Tiefpunkt: Jaime Lennister bricht mit Ser Bronn nach Dorne auf, auch wegen einer Rettungsmission. Ser Bronn? Genau, das war der windige, sehr sympathische und sehr schlagfertige Retter von Zwerg Tyrion. Im Buch wie in der Serie war er ausgestiegen, weil er seinem kleinen, in Ketten gelegten Freund nicht mehr helfen konnte (im Roman greift George R.R. Martin gar als Erzähler in die Handlung so deutlich wie noch nie ein – er schreibt mit direkten Worten, dass Bronn mit seinem Abschied von Tyrion auch die Geschichte verlässt).

Nun taucht Ser Bronn wieder auf, wird mit Jaime Lennister zusammengeworfen, um im verfeindeten Dorne die Kinder zu befreien. Da kommt es einem vor, als könnte man die Serien-Produzenten laut denken hören: Wir lassen den lustigen Bronn und den… und den … schönen Jaime aufeinanderprallen – Knaller! Frage, auch hier: Inwieweit war es wichtig, dass ausgerechnet der eine dem anderen hilft?

Nachtrag, Frage drei: War es wirklich klug, die zwei potentesten Charaktere der Saga, Daenarys und Tyrion, schon in Staffel fünf zusammen zu bringen – vor allem arbeiten sie jetzt auch noch zusammen. Ein unschlagbares Duo. Er ist ein Brainiac, sie hat die Entschlusskraft, perspektivisches Denken und die Drachen.

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5. Posterboy Jaime

Wer erst in Staffel fünf einschaltete, musste sich doch sehr über diesen Mann wundern. Nichts, aber wirklich gar nichts Böses führte er seitdem im Schild. Die frühe Aufklärung über die Ursache seines „Königsmords“ war möglicherweise ein Fehler, die angedeuteten Gefühle für Brienne von Tarth wie Seife für die Figur. Damit wurde ausgerechnet Jaime, der Feldherr, Mörder und Inzest-Bruder, zu einer der mittellosesten Figuren, ein Diplomat auf Reisen, der sich nach seiner Schwester sehnt.

Bezeichnend war eine der ziellosesten Handlungsstränge dieser Season. Über mehrere Episoden wurde die Burg vom „Schwarzfisch“ belagert, Jaime Lannister stößt dazu. So etwas muss nach allen Gesetzen entweder in einer Schlacht enden oder zumindest in einem Dialog, dessen Argumente für eine der beiden Parteien schlagend sind.

Tatsächlich gelingt es Lannister den Streit mit Diplomatie zu lösen, allerdings schien es den Autoren wichtig gewesen zu sein, ihn eine gefühlsbetonte Rede halten zu lassen. Darin betont Jaime, dass er für die Lannisters, also seine Schwester, jeden umbringen würde. Bekanntes Wissen, verpuffte Energie, keine Vertiefung. Als Cersei in der letzten Folge den Thron besteigt, blickt er sie verbissen an. Keiner weiß, was er sich von der Zukunft wünscht. Das kann auch unbefriedigend sein.

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6. Das große Ziel aus den Augen verloren – zu spät erst gefangen

Die Staffeln eins bis vier hatten diese wichtigen, unter den Nägeln brennenden Themen:

a) Finden die Starks Gerechtigkeit, nachdem mehrere ihrer Familienmitglieder verraten und getötet wurden.

b) Finden die in alle Himmelsrichtungen zerstreuten Stark-Kinder wieder zueinander – und vor allem: Wird Arya Rache üben, damit sie die Namen von ihrer Kill List streichen kann.

d) Wird der ungeliebte Tyrion nach Casterly Rock zurückkehren und mit seiner Schwester, Königinmutter Cersei, abrechnen.

e) Wann bricht die Khaleesi Richtungen Westen auf um den Thron zu beanspruchen. Schließlich hat sie eine riesige Armee herangezüchtet.

Diese fünf Fragen spielen seit der letzten Staffel eine untergeordnete Rolle, einiges wurde dann in das Staffelfinale hineingequetscht: Cersei besteigt ihren Thron, Arya tötet Walder, die Khaleesi bricht endlich auf, mit nahezu derselben Manpower wie in Staffel fünf (plus Dothraki und erwachsen werdende Drachen).

Vieles ist, unter dem Vorwand der Charakterentwicklung, zum Stillstand gekommen. Vor allem konzentrierten sich die Autoren auf die Zombies aus dem Eis, den „White Walkers“. Die ewige Parole „Winter Is Coming“ gehört natürlich irgendwann inszeniert – aber geliefert wurde auch hier, von Angriffen auf die Mauer abgesehen, noch nichts. Am Ende von Folge zehn fallen ein paar Schneeflocken mehr. Man schmunzelt, der Winter sei jetzt da.

Vor allem scheinen die Verhältnisse der Figuren untereinander geklärt zu sein. Wo ist das „Gaming“ um die „Thrones“. Kein Geheimnis mehr, dass Jaime Lennister nun ein „Guter“ ist. Tyrion Lennister wird die Freundschaft zur Khaleesi vertiefen, er ist bereits verliebt in sie. Jon Snow war kein sehr beliebter Chef der Nachtwache, aber ein zweites Mal töten kann man ihn auch nicht.

Hat es Sie auch so kalt gelassen, als die Halbgeschwister Sansa und Jon, seit fünf Staffeln getrennt gewesen, wiedervereint wurden?

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7. Lächerliche Bösewichte

Joffrey Baratheon war der tollste Schurke der Serie – viel viel abscheulicher als noch in den Romanen. Ein pervers veranlagter Junge, ein Totalversager im Zweikampf, aber weil er noch ein halbes Kind war und dazu König, durfte er jeden ermorden lassen, der ihn schief ansah. Schickte Opa ihm eine Hure ins Schlafzimmer, quälte er sie mit der Armbrust. Joffrey war toll, weil seine Macht nur begrenzt war – mit nicht viel Intelligenz gesegnet, zog dafür seine Mutter Cersei im Hintergrund die Fäden. Dann gab es mit Jaime Lennister, seinem „Onkel“, sowie Opa Tywin noch zwei weitere Schurken, mit Ambivalenzen, Schwächen – die weniger mit Mordlust als mit einem schrägen Verständnis von Traditionsbewusstsein zu tun haben. Mord nach Strategie, nach Dienst.

Die Drehbuchautoren scheinen ab Staffel fünf sich darauf verständigt zu haben, dass ein Antagonist, der alle Perversitäten in sich vereint, mehr als ausreicht: Ramsay Bolton. Vatermörder, Brudermörder, Schwanzabschneider, Sklavenschänder … Er ist einfach für jedes Unheil zu haben. Fast jeder seiner Auftritte führt am Ende zu einem blutigen Eklat. Ziemlich berechenbar, oder?

Dass die Drehbuchautoren sich die Freiheit genommen haben, Ramsay seine Ehefrau Sansa vergewaltigen zu lassen, war, um mit der Sprache des Fernsehens zu sprechen, ein klassisches Jumping The Shark. Dabei bietet sein familiärer Hintergrund Potential, denn so wie Jon Snow ist er ein „Bastard“, also nur halb-königlich, und darunter leidet er.

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8. Für den Battle Of The Bastards hätte jeder normale General Entlassungsurkunden eingereicht

Die neunten von jeweils zehn Episoden sind bei „Game Of Thrones“ die Kampf-Folgen mit hohem Blutzoll. Trotz einiger Schauwerte wurde die Schlacht zwischen Jon Snow und Ramsay Bolton derart amateurhaft vollzogen, dass ein Deus Ex Machina nötig war, um den Nachtwachen-Boss gewinnen zu lassen. Strategie, welche Strategie?

Tatsächlich haben die Macher hier eine Chance vertan, die Gefühle ihrer Zuschauer zu befriedigen. Rickon wurde zu spät wieder eingeführt, um Sympathien zu wecken. So fehlte dem Hass zwischen Jon und Ramsay eine längere Geschichte.

Ganz ehrlich: Es hätte doch nur einen geben dürfen, der sich persönlich an Ramsay Bolton rächt, oder? Theon!

Jon Snow könnte als erste Figur in der Fantasy-Serie ein Comeback nach seinem Tod erleben

9. Mord und Totschlag ohne Plan

Manchmal arbeitete Ramsay Bolton auch als Figuren-Wegschaffer, Handlungs-Bereiniger. „Game Of Thrones“ ist so geliebt wie berüchtigt dafür, dass Figuren, darunter auch Haupt-Charaktere, unerwartet umgebracht werden. Was machte den Mord an Eddard Stark, Robb Stark, Catelyn Stark, selbst an der wilden Igrid so schrecklich? Nicht, dass mit ihnen die Gewissheit starb, dass es jeden treffen kann. Sondern dass ihre Verluste einen Nachhall haben, etwas, dass Angehörige auf Ewigkeiten verfolgt und zu Racheplänen führt. Tyrion leidet noch immer am Verrat durch seine geliebte Hure Shae – „wohin immer Huren gehen“, dieser Satz seines Vaters verfolgt ihn seit Kindheitstagen. Der Tod von Oberyn Martell, ebenso der von Ned Stark, hat den Zuschauer erschüttert, weil beide über die Dauer einer Staffel zu großen Protagonisten wurden – und mit deren Dahinscheiden starben auch die großen Pläne. Umdenken wurde erfordert, neue Handlungsmöglichkeiten taten sich damit auf.

Solche für die Story so wichtige Motive sind völlig verschwunden. Stannis Baratheon, von dessen Entschlossenheit ein Zauber ausging, schickt nach zwei Staffeln Vorplanung seine Armee in einen lächerlichen (und kaum ausgespielten) Tod. Er selbst wird im Off getötet, von Brienne, die, ein Deus Ex Machina geworden, anscheinend überall dort auftaucht, wo’s grade brennt.

Höhepunkt der Schlachtung ohne Nachhall: Eine der interessantesten Nebenfiguren, die Räuberin Osha, wurde von Staffel fünf an immer seltener in Szene gesetzt, dann über Folgen gar nicht, bis sie plötzlich auftaucht und sogleich abgemurkst wird – von, natürlich, R. Bolton. Das riecht nach Faulheit der Drehbuch-Autoren, nach billigem Beseitigen von Romanfiguren, in die die Schreiber sich nie haben hineinversetzen können. Ihr Tod bedrückt nicht, weil sie vorher zu lange weg war.

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Folge fünf der sechsten Staffel führte das sinnlose Sterben fort. Zwar ist die Idee brillant, die Entstehung des Namen „Hodor“ mit dem Schicksal der Figur zu verknüpfen – falls die Idee von Anfang an, seit fünf Büchern, von George R.R. Martin stammte, ist sie noch brillanter. Aber auch Hodors Tod ist komplett verschenkt. Der sanfte Riese hat seit über einer Season keine Rolle mehr gespielt, jetzt war er wieder im Fokus: und zack, weg. Als wären die Fernsehautoren auch hier einem Charakter überdrüssig geworden, einem Menschen, mit dem sie auf sich allein gestellt nichts anfangen können. Doch nur, weil Hodor seinem Schützling nicht mehr unter die Arme greifen konnte – er träumt die meiste Zeit in einer Art Wachkoma, das ihn ausbildet – muss man nicht so faul sein und ihn gleich ganz abschaffen. Dieser Tod grenzt an Respektlosigkeit gegenüber des Charakters.

Es ergibt keinen Sinn ihn überhaupt zu töten – Hodor wurde, weil er geistig zurückgeblieben ist, von Martin nie als Entscheidungsträger konzipiert. Auch hier dient sein Tod nur dem Spektakel, der so bewunderten Erzählstrategie neuerer Serien, dass es auch Sympathiefiguren – und Hodor war die beliebteste Nebenfigur – treffen kann. Für den Fortlauf der Story war sein Opfer unnötig; seinen Schützling Bran hätte man auch anders in Sicherheit schreiben können.

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10. Was wollen die Sand Snakes, was sollen die Sand Snakes?

Völlig zu Recht verreissen „GoT“-Fans die Sandschlagen von Dorne, denn diese drei Frauen gehen einem, mit ihren Gift-Parfums, der totalen Überlegenheit an der Waffe und ihren Schmollmündern, einfach nur auf den Geist. Figuren als Dauerteaser. So wie im Fall von Ramsay dient jeder ihrer betörenden Auftritte am Ende nur dazu, jemanden aufzuschlitzen – und sich hinterher wie Mädchen zu zanken, weil die eine doch lieber dieses Körperteil, die andere jenes abgeschlagen usw … im Roman eher viel versprechende machtbewusste Töchter, werden sie hier zu den ersten Witzfiguren der Serie.

Das hätte alles ganz anders kommen können. Ihr Vater Oberyn Martell, im Roman wie in der Serie leider viel zu früh verstorben, war einer der vielschichtigsten Charaktere. Ein Lebemann aus Verzweiflung, ein Draufgänger mit Schatten, er hat erkannt, dass das Leben ein einziger Witz ist. Seine Schwester und deren Kinder wurden vom Schergen der Lennisters, dem Berg, ermordet. In Staffel vier liefert sich Oberyn alias „Die Viper“ mit dem Berg einen der denkwürdigsten Fights der Fernsehgeschichte, echtes Leinwandmaterial, perfekt getimt, perfekt choreographiert, mit dem denkbar härtesten Ausgang.

Seit Oberyn das Zeitliche gesegnet hat, und die Martells und ihre Sandschlangen Rache planen, darf man sich über jede Sekunde freuen, die nicht in Dorne spielt, dem Dubai der Fantasy-Welt.

Der größte Fehler: Die „GoT“-Autoren selbst machten sich am Ende über die „Sandschlangen“ lustig. Diana Rigg tituliert sie im Gespräch alle drei als dumm. Darüber soll sich der Zuschauer wohl freuen, vor allem aber stellt es die drei Frauen von ganz höchster Stelle bloß. Nichts, was sie jetzt noch tun, kann Angst machen.

11. George R.R. Martin ist mit Bran Stark noch nicht so weit? Okay, dann stoppt die Serie halt mit!

Wie wenig Zeit für Bran Stark verstrichen ist, aber wie viel Zeit doch für seinen Schauspieler: Aus dem niedlichen Jungen ist ein Heranwachsender geworden, denn im echten Leben altern die Menschen halt. Darsteller Isaac Hempstead-Wright ist in die Höhe geschossen und jetzt 17. Wie konnte das so plötzlich passieren? Na, er war ja in der Staffel fünf auch nicht wirklich zu sehen.

Alle Martin-Leser beklagen das wirklich schwache fünfte Buch, die Ziellosigkeit des Handlungsstrangs um den Stark-Sohn, der endlich herausfinden will, warum er sich in wilde Tiere hineinversetzen kann. Unabhängig davon, ob George R.R. Martin den Drehbuchautoren wirklich die komplette Storyline bis zum Ende der Saga verraten hat – seit bald zwei Staffeln liegt der Junge in einer Höhle, in einer Art Spinnennetz, und muss sich mit den Weisheiten des „Raben“ Max von Sydow herumplagen, der nicht mit der Sprache rausrücken will, wie man zum Mischwesen wird. Seine Flucht aus der Höhle wurde in Episode fünf durch einen Angriff zum Glück erzwungen, wurde auch höchste Eisenbahn.

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12. Die große Explosion

Die „Rote Hochzeit“ war in die Geschichte eingegangen, es ist verständlich, dass die Serienmacher das irgendwie toppen wollen. Aber warum ist sie in die Geschichte eingegangen? Nicht nur, weil unerwartet wichtige Hauptfiguren starben. Sondern, weil auch gezeigt wurde, wie sie starben. In der „Großen Septe von Baelor“ kommt es zur Explosion, es verbrennen augenblicklich Loras Tyrell, Margaery sowie Jonathan Pryce; Pycelle wird in einer Katakombe erdolcht. Die ersten Drei sind so wichtig gewesen, dass sie Schlussworte, oder zumindest eine eigene Todes-Inszenierung verdient hätten, oder?

Vor allem Margaerys Tod wirkt billig. Sie trug ein paar Geheimnisse in sich, die nie geklärt werden können. Wie verschleierte sie, dass die Gehirnwäsche der religiösen Eiferer bei ihr nicht funktionierte? Warum schickte sie zuvor Oma weg? Margaery war eine der stärksten Figuren, immer vorausdenkend, ein echtes Gegengewicht zu Cersei. Stattdessen verpuffte sie in einer Explosion. Eine nicht zu Ende gedachte Figur.

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13. Arya gegen den Terminator

Die kleine Arya Stark wird am Ende der Saga sterben, oder? Darauf weisen zumindest die Orangen hin, die bei ihrer Flucht umstürzen – fallende Orangen sind seit Coppolas „Pate“ ein Symbol für den Tod, auch „Breaking Bad“ führte das zuletzt eindrucksvoll vor. So. Und sonst? Arya Starks Treiben in dieser Staffel ist wirklich das Bedauerlichste. Denn sie wollte sich eigentlich vom „gesichtslosen Mann“ Jaqen H’ghar zur Supersoldatin aus bilden lassen, ließ sich verprügeln, blind machen und als „Niemand“ titulieren. Etliche Episoden lang (das Elend begann bereits in Season fünf). Nur um am Ende, allen Ernstes, zu erkennen, dass ihr das militärische Training doch nicht so behagt. Die Königstochter will wieder Arya Stark sein.

Vieles nicht zu Ende gedacht. Wir erhalten keinen Einblick in Jaqen H’ghar, und es ist unverständlich, warum dieses eher weise Wesen derart enttäuscht von seiner Schülerin sein kann, dass er einen Mord beauftragt. Auch seine Handlangerin Waif: eindimensional. Zu erwarten gewesen wäre, dass sich die Beziehung der zwei jungen Frauen im Laufe der Staffel ändert.

Die Verfolgungsjagd zwischen Waif, einer Art T-1000 und damit Gestaltwandler – und im Spurt ähnlich hochkonzentriert wie einst die Maschine Robert Patrick –, und Arya ist der unfreiwillig komische Höhepunkt der Staffel. Die Überlegenheit Waifs ist so dermaßen hoch, dass die Filmemacher am Ende kapitulieren müssen – wie Arya den Terminator besiegt, wird nicht gezeigt.

Aryas Ertrag aus Monaten der Ausbildung in Camp T-1000: eine Maske haben, mit der sie unauffällig ins Schloss der Freys marschieren kann.

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14. Die Rückkehr der toten Königin … war da nicht was?

Zu den schockierendsten Ereignissen der „Song Of Ice And Fire“-Reihe gehört, neben der Hinrichtung Ned Starks, der „Roten Hochzeit“ und dem Kampf zwischen Viper und Berg, die Rückkehr der ermordeten Catelyn Stark. Sie sieht natürlich, weil ihr die Kehle durchgeschnitten wurde und sie danach tagelang in Flüssen trieb, etwas anders aus, als der Leser sie in Erinnerung hatte. Und übt fortan als Zombie Rache an allen, die mit ihrer Ermordung und der ihres Sohnes Rob zu tun haben.

Warum bleibt Stark, die chronologisch gesehen in Staffel vier hätte auftauchen müssen, noch im Verborgenen? Darstellerin Michelle Fairley hat die einfachste aller Erklärungen – womöglich liegt sie richtig: „Lady Stoneheart“ wird … gar nicht mehr auftauchen. Kein Platz für ihren Handlungsstrang. Bestätigt haben das die Produzenten der Serie noch nicht. Ein Verzicht auf ihre Rückkehr wäre ärgerlich: Ihre Figur, zeitlebens von Verzicht geprägt, hätte mehr Tiefe verdient. Und Winterfell eine Rächerin mehr.

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