„Haut ab!“: Ärzte verteidigen trans Jugendliche gegen FBI
Alles über den neuesten Schachzug der Trump-Regierung gegen Ärztinnen und Ärzte, die Trans-Kinder behandeln.

Während US-Präsident Donald Trump und seine Regierung ihre systematischen Angriffe auf transamerikanische Menschen fortsetzen, nehmen Aktivistinnen und Unbeteiligte gleichermaßen das jüngste Vorgehen des FBI ins Visier. Das FBI will Ärztinnen und Ärzten, die trans Jugendlichen geschlechtsaffirmierende Behandlungen zukommen lassen, strafrechtlich verfolgen.
Trump-Regierung geht gezielt gegen trans Jugendliche vor
Am Montag forderte das FBI Hinweise auf Ärztinnen oder Krankenhäuser an, „die unter dem Deckmantel der geschlechtsaffirmierenden Behandlung verstümmeln“. Wobei es sich auf chirurgische Eingriffe bei trans Jugendlichen bezieht. Doch die „Kriminellen“, die die Trump-Regierung jagt, existieren womöglich gar nicht. Jede große amerikanische Gesundheitsorganisation ist sich einig, dass chirurgische Eingriffe bei Kindern unter 12 nicht vorkommen. Und selbst bei Minderjährigen zwischen 15 und 17 extrem selten sind. Da sich diese Meldestelle am ehesten gegen Anbieterinnen und Programme richtet, die trans Jugendlichen mit nichtinvasiven Therapien helfen — obwohl die Trump-Regierung damit droht, Fördermittel zu streichen —, strömen laut zwei mit der Sache vertrauten Quellen und einer ROLLING STONE vorliegenden Aufnahme massenhaft Menschen mit beleidigenden und derben Kommentaren in die Hotline.
Reaktionen in sozialen Netzwerken
Die Rückkehr der Trump-Regierung ins Weiße Haus ist von gezielten Angriffen auf trans Jugendliche und deren Gesundheitsversorgung geprägt. Im Januar erließ Trump eine Exekutivanordnung, die geschlechtsaffirmierende Behandlung als „chemische und chirurgische Verstümmelung“ von Kindern bezeichnete. Und damit drohte, Bundesmittel für Krankenhäuser zu streichen, die solche Behandlungen anbieten.
Im April veröffentlichte US-Justizministerin Pam Bondi — die als Anwältin im ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump tätig war — ein Memo, in dem das Justizministerium erklärte, es werde mehrere bestehende US-Gesetze anwenden, um Anbieterinnen von trans Gesundheitsversorgung zu verfolgen. Darunter auch Gesetze gegen weibliche Genitalverstümmelung. So forderte das FBI am Montag dazu auf, Hinweise auf Ärztinnen oder Praktizierende zu melden, die geschlechtsaffirmierende „chirurgische Eingriffe“ an Kindern vornehmen. (Es wirkt nicht zufällig, dass diese Aufforderung am zweiten Tag des Pride-Monats verschickt wurde, der normalerweise der LGBTQ+-Community gewidmet ist.)
„Helfen Sie dem FBI, Kinder zu schützen“, postete das Trump-FBI — angeführt von den Trump-treuen Kash Patel und Dan Bongino — am Montag auf X. „Wie die Justizministerin klargestellt hat, werden wir unsere Kinder schützen. Und diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die sie unter dem Deckmantel der geschlechtsaffirmierenden Pflege verstümmeln. Melden Sie Hinweise auf Krankenhäuser, Kliniken oder Praktizierende, die solche chirurgischen Eingriffe an Kindern durchführen, unter 1-800-CALL-FBI oder tips.fbi.gov.“
Aktivistische Reaktionen und Hotline-Crash
Diese Darstellung von trans Gesundheitsversorgung als „Verstümmelung“ widerspricht diametral den Einschätzungen sämtlicher großer medizinischer Vereinigungen in den USA. Darunter die American Academy of Pediatrics, die American Medical Association und die American Academy of Child & Adolescent Psychiatry. Laut Berichten sowohl des National Institute of Health als auch der Harvard School of Public Health gibt es keine Hinweise darauf, dass Kinder unter 12 irgendeine Art chirurgischer Eingriffe erhalten. Bei Minderjährigen im Alter von 15 bis 17 Jahren betrafen nahezu alle Eingriffe den Brustbereich. Und das in geringerem Ausmaß als bei cisgeschlechtlichen Jungen. Doch im Mai veröffentlichte das Gesundheitsministerium einen 400-seitigen Bericht, der Behandlungspläne empfahl, die konversionstherapeutischen Ansätzen ähneln.
So dauerte es nicht lange, bis sich dieser Social-Media-Post samt Kontaktinformationen in den Gruppenchats zahlreicher LGBTQ+-Verbündeter und -Aktivist*innen verbreitete.
Zwei Quellen berichten, dass diverse besorgte Bürgerinnen, Aktivistinnen und andere Personen sofort begannen, bei der Hotline anzurufen. Teils über anonyme VoIP-Verbindungen. Um wütende Schimpftiraden loszulassen. Manche Anrufende ärgerten sich, dass sie offenbar keine Voicemail hinterlassen konnten. Und beschimpften die FBI-Mitarbeitenden am anderen Ende der Leitung.
Derbe Proteste – aber auch Warnungen
Ein Anrufender sagte dem Magazin, er habe die Hotline angerufen, um der zweiten Trump-Regierung zu empfehlen, „meinen ganzen Arsch zu fressen.“
Eine ROLLING STONE vorliegende Audiodatei enthält die Aufnahme eines schwulen ehemaligen Bundesangestellten, der anonym bleiben möchte. Und der in die Bundes-Hotline brüllt: „Verpisst euch, Nazi-Schwanzköpfe!“
Eine weitere Quelle berichtet, dass „mehr als ein Dutzend“ Freunde und Bekannte aus LGBTQ+-nahen politischen Kreisen aktiv dabei seien, die FBI-Hotline mit wütenden Kommentaren oder Protestmeldungen zu überfluten. Um gegen die Verfolgung transamerikanischer Menschen und die Diffamierung ihrer Gesundheitsversorgung zu protestieren.
So verständlich das Bedürfnis sein mag, die FBI-Hotline mit Spam lahmzulegen. Einige Aktivistinnen und Rechtsexpertinnen warnen eindringlich davor, sich auf einem aufgezeichneten Bundeskanal im Ton zu vergreifen. Insbesondere bei einer Regierung, die mit außergewöhnlicher Gesetzesverachtung gegen Trump-Gegnern vorgeht. Selbst wenn keinerlei Fehlverhalten vorliegt.
Schon zuvor Zielscheibe für Spam
„Viele Leute wollen die Petzen-Hotline zumüllen“, sagt eine Person. „Mein Ratschlag: Nichts sagen, das als Bedrohung ausgelegt werden könnte. Klartext sprechen, kurz und bündig. Auflegen.“
Das FBI äußerte sich nicht zu dieser Story.
Es ist nicht das erste Mal, dass die neue Trump-Regierung Ziel einer massiven Spamwelle wird. Ende Februar forderte Trumps Top-Berater Elon Musk Bundesangestellte dazu auf, auf „eine E-Mail zu antworten, in der sie darlegen sollten, was sie letzte Woche geleistet haben“. Andernfalls drohe eine „erzwungene Kündigung“. Wie ROLLING STONE damals berichtete, wurde der betroffene Regierungsposteingang nach dem Leak der E-Mail erwartungsgemäß mit Scherzen und teils „sehr unhöflichen“ Mails überflutet.
Die Journalistin Jael Holzman, die für dieses Magazin über die harte transfeindliche Linie der Republikanischen Partei berichtet hat, warnte bereits: Die Versuche, Eltern trans Kinder ins Visier zu nehmen, wurden auf bundesstaatlicher Ebene vorbereitet. In den letzten Jahren profilierte sich der texanische Generalstaatsanwalt Ken Paxton als Verfechter des staatlichen Vorgehens gegen diese Familien. Einige Mitglieder seines Teams sind inzwischen Teil der neuen Trump-Regierung.
Trotz allem: Protest zählt
„Jahrzehntelang etablierte Forschung und validierte Behandlungsstandards werden nun als Pseudowissenschaft diffamiert, während sich die sogenannte legitime Wissenschaft einfach ausgedacht wird. Aber das ist typisch Trump-Regierung“, sagte Douglas C. Haldeman, Ph.D., klinischer Psychologe mit Spezialisierung auf die Betreuung ehemaliger Konversionstherapie-Opfer.“
Natürlich werden die Versuche, die anti-trans Hotline des FBI zu verstopfen, die vielschichtige Offensive der Trump-Regierung gegen trans Menschen, medizinisches Personal und Unterstützende nicht stoppen. Aber sie sind nicht völlig nutzlos. Raquel Willis, Mitbegründerin der Gender Liberation Movement, sagt ROLLING STONE, dass ein Klima des Widerstands wichtig sei, um zu verhindern, dass sich Gemeinschaften an die Belästigung durch die Trump-Ära gewöhnen. Insbesondere, wenn diese mit Begriffen wie „Kinderschutz“ bemäntelt daherkomme.
„Auch wenn diese FBI-Hotline und der Diskurs darum für viele harmlos wirken mögen, sprechen sie doch den Wunsch an, die körperliche Selbstbestimmung junger trans Menschen zu kriminalisieren. Ebenso wie die privaten Entscheidungen, die sie gemeinsam mit Eltern und qualifiziertem medizinischen Personal über ihre Versorgung treffen“, sagt Willis. „Es ist schon interessant, dass Konservative diesen Kreuzzug zur Einmischung in private Entscheidungen führen, nachdem sie jahrzehntelang behauptet haben, keinen Staatseinfluss im Alltag zu wollen. Es geht hier nicht wirklich um Kinderschutz. Sondern nur um Kontrolle.“