Herbstmusik – Bill Callahan alias SMOG über „Rain On Lens“,die hohe Kunst des Songschreibens und Vogelfangs

Da stecken wir schon wieder mitten im Herbst, der Wind treibt Regen übers Land, die Blätter fallen, und wir werden förmlich umweht von der Vergänglichkeit. Zeit also für neue Songs über Einsamkeit und Endlichkeit – Zeit für ein neues Smog-Album. Und da steht „Rain On Lern“ in den Läden. Obwohl es nun schon das elfte Smog-Album ist, das man sich ins Regal stellt (von den EPs gar nicht zu reden), zieht einen auch dieses an wie der schwarze Monolith in „2001 – Odyssee im Weltall“. Und genau wie dieser, ist auch „Rain On Lens“ ein Mysterium. Was soll das heißen „Regen auf der Linse“? Zeit für einen Brief an Bill Callahan aka Smog. Die Antwort wartet wenig später im virtuellen Postkasten.

Bill Callahan ist ein Getriebener, getrieben von der Frage, die sich durch sein gesamtes Werk zieht: Wie können wir mit dem Gefühlschaos, in dem wir bewusst oder unbewusst stecken, und unseren verborgenen wie offensichtlichen Ängsten leben? „Rain On Lens‘, das ist Fritz Lang, wie er durch das Megaphon ruft: ,The show must go on“‚, so Callahan.

Spätestens seit wir im Booklet von „Dongs OfSevotion“ein Bild vom japanischen Regisseur und Schauspieler Takeshi Kitano („Hana Bi“) fanden, wissen wir, dass Callahan ein Filmfreak ist. „Kitano lässt die Bilder die Geschichte erzählen, ohne zu intervenieren. Objektive Emotionalität.“ So wie Kitano einfach draufhält und die lakonischen Dialoge den Bildern nichts hinzufügen, stehen auch die Smog-Songs wie Momentaufnahmen im Raum. Callahan lässt sich nicht dazu bewegen, diese näher zu erläutern. „Es geht mir darum, Momente, Emotionen und Charaktere in bestimmten Situationen, im Bruchteil eines Moments, zu erfassen. Du versuchst, ein kleines bisschen vom Chaos zu definieren.“

„Rain On Lens“, das ist also auch das Leben vor der Linse. „Regen bedeutet Leben. Körper, die vom Himmel fallen. Wir bestehen zu 97 Prozent aus Wasser. Daher ist Regen auch immer ein Geburtsakt.“ So wie im überragenden „Lazy Rain“: Dort verschmelzen die Körper in zwei an der Fensterscheibe hinabgleitenden Regentropfen, die sich vereinigen und sich daraufhin immer schneller auf das Fensterbrett zu bewegen. Die Endlichkeit wird immer schon mitgedacht.

Man mag einzelne Songs hervorheben, doch nur wenige Menschen haben Smog-Lieblingssongs. Es sind immer die Alben, die als geschlossene Statements des Künstlers jeweils eine völlig eigene Atmosphäre vermitteln. Jessica Billeys Geige klagt im Hintergrund – und Rick Rizzos (Eleventh Dream Day) Gitarre schleppt sich schneidend durch den Song.“Ich wollte einen Sound, so klar und scharf wie ein Schwarz-Weiß-Foto“, verrät uns Callahan.

Doch wie kommt man als Eigenbrötler – und Callahan ist nun wahrlich einer („Zeitgenossen? Ich habe keine Zeitgenossen!“) – zu solch gestochen scharfen Momentaufnahmen in schwarz und weiss? „Es ist, wie wenn du einen Vogel fängst. Du definierst ihn dadurch nicht, aber du kannst seine Bewegungen verfolgen, um mehr über Leben, Gewohnheiten und Natur zu erfahren. Songs sind also wie gefangene VögeL“

Nur schade, dass uns die meisten Vögel in diesen Breiten im Herbst allein zurücklassen.

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