Hi Tech Toys: Eingedampft: Neue Kompressionsverfahren für digitale Musikkonserven

Das lang bewährte MP3-Verfahren kommt in die Jahre: Schon vor 13 Jahren legte das Erlanger „Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen“ die Grundlagen für den immer noch wichtigsten Tonstandard im Internet. Die Idee der fränkischen Forscher: Man nehme digitalisierte Musik und entferne alles, was das menschliche Ohr ohnehin nicht wahrnimmt. Unser Hörorgan arbeitet nämlich selektiv: Ein lauter Ton übertönt einen leiseren – besonders dann, wenn beide Schallereignisse eine ähnliche Tonhöhe haben.

Ursprünglich sollte das später als „MPEG 1 Layer 3“ international genormte System vor allem die Einführung des Digitalradios beflügeln, aber dann tauchten auf einmal kostenlose Software-Tools im Internet auf, mit denen jeder PC-Besitzer aus den Digitaltönen einer Audio-CD MP3-Dateien erzeugen konnte – mit einem rund elfmal geringeren Bit-Umfang. Der Coup löste die mächtigste subversive fertriebsform in der ganzen Internet-Geschichte aus – und inspirierte nach einer ersten Schreckphase auch die Geräte-Industrie. Zunächst stiegen die Spezialisten für Computer-Peripherie ins Geschäft mit winzigen Chipkarten-Playern ein. Dann folgte, nach einer Schamfrist halbherziger Distanzierung, die gesamte Unterhaltungselektronik-Industrie mit MP3tauglichen Abspielgeräten, darunter CD-Portis, HiFi-Türmchen und Musikserver mit eingebauten Festplatten.

Wer die Datenblätter dieser Gerätschaften studiert, stößt immer häufiger auf Kürzel wie WMA, MP3 Pro, AAC oder ATRAC 3 – also auf die Chiffren von Datenformaten, die sich allesamt als Alternative zu MP3 anbieten. Sie versprechen samt und sonders perfekten Wohlklang mit noch geringeren Datenmengen – will sagen: Nach den neuen Standards passt noch mehr Musik auf eine selbst gebrannte CD, und sie flitzt noch schneller durch das Internet Was braucht man, um die Dateien in den neuen Ton-Arten zu produzieren? Und wie gut funktionieren die radikaleren Datensparer?

Dazu gilt es, zunächst einmal zu klären, wie gut MP3 überhaupt ist – etwa im Vergleich zum Klang der CD. Die Qualität von MP3-Musik hängt davon ab, mit welchen Datenraten sie kodiert wurde. Typische Musikdateien aus dem Internet oder auf selbst gebrannten CDs umfassen 128 Kilobit für jede Sekunde Musik. Das entspricht guter HiFi-Qualität. Dateien mit 192 Kilobit pro Sekunde liegen jenseits von Gut und Böse: Ihr Klang ist mit dem der CD so gut wie identisch. Stellt man jedoch die Codiersoftware am PC auf sehr geringe Werte ein, etwa auf 64 Kilobit, so sind deutliche Verzerrungen hörbar – der Genuss bleibt auf der Strecke.

ATRAC 3 – Made by Sony

Eine der ersten MP3-Alternativen stammt von Sony. Der Branchen-Riese nahm einfach das bewährte, bereits für die Mini Disc entwickelte Tonformat ATRAC 7 als Grundlage für eine deutlich effizientere Variante, die sich ATRAC 3 nennt und exklusiv für den Langspielmodus von Mini-Disc- und Chipkarten-Playern verwendet wird.

ATRAC 3 gibt es in zwei verschiedenen Stufen der Datenreduktion. Im LP2-Modus reduziert es die Audio-Daten einer CD doppelt so stark wie das herkömmliche ATRAC 7, also etwa um den Faktor 10. Damit liegt seine Effizienz ungefähr auf dem Niveau vom MP3; auf eine Mini-Disc passen mit dieser Tonkodierung 148 Minuten Programm. Der LP4-Modus dampft die CD-Musik noch stärker ein, etwaum den Faktor 20. Die Datenrate liegt dann bei etwa 70 Kilobit pro Sekunde, eine Mini Disc fasst damit beinahe fünf Stunden Musik.

Der Klang von ATRAC 7 entspricht praktisch dem CD-Niveau; der LP2-Modus klingt immer noch erstaunlich gut, während die LP4-Variante doch oft schon recht matt und manchmal sogar giftig tönt Dieser Bit-Spar-Kurs taugt eigentlich nur für schlichte Musik im Auto, wo die tonalen Finessen ohnehin im Rumoren des Triebwerks untergehen. ATRAC-3-Codierer sind in allen neueren Mini-Disc-Recodern eingebaut, und Geräte, die sich an den PC anstöpseln lassen, werden mit einer Software geliefert, die den Codierprozess beherrschen.

MP3Pro – Der Beitrag von Thomson

Thomson Multimedia hält einen Teil der MP3-Patente – und machte sich folgerichtig daran, das System zu einer eigenen, MP3 Pro genannten Variante aufzubohren. Höhere Effizienz erreicht das System unter anderem dadurch, dass es bei der Codierung einfach die höchsten Töne abschneidet und bei der Wiedergabe synthetisch rekonstruiert – Spectral Band Replication (SBR) heißt der Trick. So klingen selbst Musikdateien mit 64 Kilobit pro Sekund noch passabel. Für HiFi, das den Namen verdient, sollten es aber mindestens 96 Kilobit pro Sekunde sein. Windows-User können sich einen Software-Encoder kostenlos aus dem Netz laden: Die Musicmateh Jukebox (www.musicmatch.com) erzeugt MP3 Pro-Dateien bis 96 Kilobit pro Sekunde. Mit dem Festplattenporti Lyra PDP 2800 bietet Thomson Multimedia einen interessanten Player für das neue Ibnformat

Windows Media Audio kurz: WMA

Sound im WMA-Format kann jeder produzieren, der einen Windows Media Player ab Version 8 auf seinem Rechner hat. Microsoft bietet diese Software zum kostenlosen Download im Internet an (www.microsoft.com). Wer mit Windows-Betriebssystem XP arbeitet, kann sich den Download sparen, denn hier gehört diese Player-Version ohnehin zur Komplett-Ausstattung. Die Software kann Musik-CDs auf die Festplatte kopieren und dabei automatisch ins WMA-Format eindampfen. Sie bietet Datenraten von 48 bis 192 Kilobit pro Sekunde an. Werte um 64 Kilobit können wir nicht empfehlen; die Musik klingt dann schon wenig brillant und transparent. Doch mit 96 Kilohertz lässt sich ein Klangniveau erzielen, das etwa der MP3-Qualität mit 128 Kilobit pro Sekunde entspricht Eine ganze Reihe von Festplattenrecordern und CD-Portis kann bereits WMA-Musik wiedergeben.

Advanced Audio Coding – Der Audio-Bruder von MPEG 4

Das Erlanger Fraunhofer Institut, der Sound-Spezialist Dolby, Sony und der Telefon-Multi AT&T haben sich zusammengetan, um aus dem MP3-Verfahren eine noch effizientere Toncodierung zu destillieren. Sie heißt AAC und ist der Audio-Part des Multimedia-Standards MPEG 4. Kostenlose Software zur Erzeugung von AACDateien gibt es noch nicht. Doch wer den Freeware-Player Quicktime 6 von Apple auf dem Rechner hat – er ist sowohl für Mac- als auch für Windows-Rechner verfügbar -, kann dieses Programm für 40,60 Euro zur Profi-Version upgraden (im Apple-Store unter www.apple.de). Das Programm produziert dann AAC-Dateien mit Datenraten von 16 bis 256 Kilobit pro Sekunde. Mit 96 Kilohertz pro Sekunde erzielten wir bereits eine sehr hohe Qualität, die sich kaum noch vom CD-Original unterscheidet. AAC-taugliche HiFi-Geräte werden mit passenden Codier-Programmen oder mit eingebauten Hardware-Encodern ausgeliefert – etwa die Chipkarten-Player von Panasonic oder das Festplatten-HiFi-Türmchen von JVC.

Ogg Vorbis – Patentfrei und kostenlos

Als Open-Source-Projekt steht Ogg Vorbis der Industrie und dem Privatmann gleichermaßen kostenlos zur Verfügung – und es gilt derzeit als ein Geheimtip mit bestechendem Potenzial (www.vorbis.com). Hinter dem seltsamen Namen steckt ein Ton-Kompressionsverfahren, das Datenraten von 32 bis 350 Kilobit pro Sekunde anbietet Die Encoder-Software funktioniert nach dem Drag-and-Drop-Prinzip: Einfach eine Wave-Audiodatei auf das Programm-Icon ziehen fertig.

Ogg Vorbis funktioniert wirklich beeindruckend: Wenn es nicht gerade eine Klaviersonate sein soll, reichen oft schon 64 Kilobit pro Sekunde fiir sehr respektable Klangergebnisse, und 96 Kilobit pro Sekunde klingen geradezu verblüffend sauber. Leider gibt es noch keine Geräte, die Ogg-Vorbis-Dateien abspielen können, doch sie werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Software-Hersteller haben das System längst entdeckt. So können Standard-Player-Programme wie der WinAmp Ogg Vorbis abspielen, und in der Macintosh-Welt sind der MacAmp und Audion ab Version 2.6 bereits Ogg-Vorbis-tüchtig. Quicktime versteht sich ebenfalls auf das interessante Format, wenn es ein spezielles Plug-in nachlädt Aber noch ist nicht entschieden, welches System das Rennen um Sieg und Platz in der Digital-Musik-Szene macht: Es bleibt weiterhin spannend.

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