Hollywood feiert löchrige Rekorde. Die Indie-Komödie My Big Fat Greek Wedding wurde der erfolgreichste Film 2002

Seit Jahren schon wird beklagt, in Hollywood würden zu viele Shareholder bestimmen, die von Geld viel und von Filmen nichts verstünden. Das ist falsch. In den Chefetagen der Studios scheint man nicht einmal mehr die einfache Buchhaltung zu kennen. Denn Hollywood ist eigentlich pleite – und nicht erst seit dem abgelaufenen Jahr. Die Budgets und Gagen der Stars haben Dimensionen erreicht, deren Refinanzierung immer mehr wie Russisches Roulett anmutet Als die Drehkosten für „Titanic“ die 100 Millionen Dollar überstiegen (und erst bei rund 180 endeten), glaubte kaum jemand, dass die Einnahmen dieses Loch wieder stopfen könnten. Heute wird diese Summe bei potenziell geplanten Blockbustern selbstverständlich veranschlagt. Zwölf der 40 größten US-Produktionen kosteten mindestens 100 Millionen, acht blieben leicht darunter. Außer „JC-19“ (102 Mio.) mit Harrison Ford, John Woos „Windtalkers“ (107 Mio.) und dem bei uns erst gar nicht mehr angelaufenen Eddie-Murphy-Flop „Pluto Nash“ spielten diese ihre Ausgaben zwar wieder ein oder übertrafen sie vielfach. Unter dem Strick haben die Studios dennoch kaum einen Cent verdient.

Zum einen liegt das an der Masse der Filme. Immer mehr drängeln auf den selben Startterminen, andere drängen immer schneller nach. Kaum einer hielt 2002 über zwei, drei Wochen die Spitze in den Charts. Wer das Publikum nicht am ersten Wochenende überrumpelt, kann seinen Film abschreiben. Deshalb werden die Kinos für kurze Zeit mit exorbitant vielen Kopien geflutet, die dann nicht nur im ungünstigen Verlauf vor halb leeren Sälen laufen und bereits nach einer Woche wieder erheblich reduziert wetxfcn. Lieber versucht man sein Glück mit dem nächsten Film. Auch Kopien kosten Geld.

Hinzu kommt die Werbung, die immer dichter und kostspieliger ausfallt, um für den möglichst erfolgreichen Sprint im Kino die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Die Kosten dafür betragen mittlerweile mindestens die Hälfte des Produktionsbudgets und sind noch gar nicht darin ausgewiesen. Spielbergs 104 Millionen Dollar teurer „Minority Report“ war also beim US-Endstand von rund 130 Millionen Dollar noch im Minus. Dann muss man auf das internationale Geschäft hoffen, wo das Spiel und die Kostenspirale allerdings wieder von vorne beginnen, wenn die Rechte nicht bereits an einen anderen Verleiher veräußert wurden.

Und dann sind da noch die Gagen der Stars. 20 Millionen Dollar hat Robert De Niro für seine Rolle in „Reine Nervensache 2“ kassiert. Das und mehr verlangen schon zwei Dutzend vermeintlich zugkräftige Schauspieler. Als Zusatz oder Ersatz schließen die auch vermehrt so genannte backend-deals ab, die ihnen Einnahmen aus den Umsätzen garantieren. Das kann grotesk teuer werden. Tommy Lee Jones und Will Smith etwa sollen für „MIB II“ 60 Prozent der US-Bruttoeinnahmen von den ersten 200 Millionen Dollar ausgehandelt haben. So viel hat das Sequel alles in allem auch gekostet. Da es aber nur 190 Millionen eingespielt hat, sind die Produzenten gerade noch einem Desaster entgangen. Was allerdings wenig Trost ist, da bei so einem Vertrag wohl wesentlich mehr Erlös erhofft wurde. Das Geld ist größtenteils futsch. Dabei kam selbst der erste Teil 1999 in den Staaten nur auf etwa 250 Millionen Dollar.

„Spider-Man“, „Star Wars: Episode II“, „Signs“ und überraschend „8 Mile“ mit Eminem waren die profitabelsten amerikanischen Filme. Noch besser im Schnitt liegt nur die kleine Romantik-Komödie „My Big Fat Greek Wedding‘ 1 , eine von Tom Hanks mitfinanzierte Indie-Produktion, die mit phänomenalem Stehvermögen wochenlang in den Top 5 der US-Charts klebte, nie den ersten Platz erklomm und trotzdem sagenhafte 210 Millionen Dollar einspielen konnte. Die auch im Stil gänzlich unspektakuläre, offen sentimentale, ein wenig schräge Aschenputtel-Geschichte über eine junge pummelige Griechin… die einen attraktiven Angloamerikaner heiraten will und damit ihre traditionsbewußte große Familie entsetzt, wurde für nur fünf Millionen Dollar abgedreht und startete unauffällig im April. Zuvor war die Hauptdarstellerin Nia Vardalos, eine kaum bekannte Stand-up-Komikerin, über Monate mit ihrem Drehbuch hausieren gewesen. Sogar der fertige Film wurde von allen möglichen Verleihern abgelehnt, bis ihn jemand fiir 200000 Dollar und ohne eine festgeschriebene Beteiligung am Gewinn mit minimaler Kopiezahl veröffentlichte. Niemand, nicht mal die Macher erwarteten viel, kein Kritiker oder Festival propagierte ihn. Anders als Tarantinos „Pulp Fiction“ mit seinem Budget von sieben Millionen Dollar und einem Umsatz von 107 Millionen, der zuvor in Cannes die Goldene Palme gewonnen hatte, und der geschickt im Internet gehypte Underground-Streich „The Blair Witch Project“ (Kosten: 65000; Einspiel: 140 Millionen Dollar), ist „My Big Fat Greek Wedding“ klassisch der sensationellste sleeper des US-Kinos aller Zeiten.

Schlechte Zeiten hinter sich hat Metro Goldwyn Mayer, das letzte unabhängige Studio mit dem brüllenden Löwen. Die 15 Projekte schnitten alle dürftig ab, „Windtalkers“ hat fast den Ruin bedeutet. Während die anderen zu Konzernen wie AOL Time Warner oder Sony gehören, wo die Verluste gebunkert werden, zehrt MGM vom vergangenen Ruhm seiner Klassiker wie ,3en Hur“, „Terminator“, „Das Schweigen der Lämmer – und Bond. Der, obwohl teuer wie nie, soll den Laden retten.

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