In My Place

Der Geschichtenerzähler Simon Aldred kämpft mit seiner Band Cherry Ghost gegen Coldplay-Vergleiche

Aus dem Nichts – in diesem Fall der Provinz im Nordwesten Englands – ist dieser Bursche gekommen und hat sich mit seiner Band Cherry Ghost und dem Album „Thirst For Romance“ auf Platz sieben der britischen Charts breitgemacht. Jetzt steht Simon Aldred auf der Bühne des „Dingwalls“ in London, der Club ist ausverkauft. Wie alle Gigs der Cherry Ghost-Tour durch England. „Mann, wo hat der Typ sich all die Jahre bloß versteckt?“, fragt der Nebenmann begeistert, nachdem die Band die ersten Nummern gespielt hat. „Könnt Ihr Euch vielleicht ein bisschen kleiner machen“, fragen die Teenagermädchen hinter uns, die gerne mehr von diesem empfindsamen Mann sehen wollen, der diesen hübschen Song „People Help The People“ geschrieben hat, den das Radio gerade rauf und runter dudelt und den sie alle anfangs für eine neue Coldplay-Nummer hielten.

„Wenn ich jetzt sagen würde, dass mich der Erfolg nicht wirklich überrascht, würde das wahrscheinlich ein bisschen arrogant klingen, oder?“, hat Aldred vor dem Soundcheck lachend gefragt, dann aber sofort pflichtschuldig hinzugefügt, dass ihm die Musik sowieso wichtiger sei als Verkaufszahlen. „Sachen, die ich wirklich gut finde, werden es wohl nie in die Top 40 schaffen – Bill Callahans Smog zum Beispiel oder Sparklehorse.“ Aldred ist 31 und damit zu alt, um sich von Charterfolgen aus der Ruhe bringen zu lassen. Er ist in Bolton, einer Industriestadt in der Nähe von Manchester aufgewachsen, hatte seine ersten Auftritte als Zehnjähriger in der Kirche, nach dem Studium viel Zeit auf dem Arbeitsamt verbracht und gelernt, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.

„Es gibt auf der Welt viele Menschen, die viel interessanter sind als ich“, sagt Aldred, der sich in seinen Songs als Beobachter, als Geschichtenerzähler in der Tradition von Johnny Cash sieht. „Ich war noch nie besonders daran interessiert, über mich selbst zu schreiben, sondern will von dem erzählen, was um mich herumpassiert, achte auf die Leute, die um mich herum leben.“

Statt über sich selbst zu sprechen und über seine Band, die er nach einer Zeile aus dem Wilco-Song „Theologicans“ benannt hat, schwärmt er lieber von der Prägnanz der Texte Anton Tschechows und davon, wie es Raymond Carver immer wieder gelungen ist, seine Short Storys zu präzisen Schnappschüssen aus der Welt der Arbeiterklasse werden zu lassen. Und obwohl es Aldred in Songs wie „Alfred The Great“, der von seinem Großvater erzählt, dem epischen „Mary On The Mend“ oder dem aufgewühlten „Mathematics“ durchaus gelingt, wunderbar poetisch verdichtete Stimmungsbilder vor einem auszubreiten, gibt er sich bescheiden. „Ich kenne mich mit Lyrik ein bisschen zu gut aus, um das, was ich mache, wirklich als Poesie durchgehen zu lassen“, sagt er, „unterm Strich ist es doch nur Popmusik.“

Nur gegen die ständigen Coldplay-Verweise wehrt er sich dann doch: „Ich finde eigentlich nicht wirklich, dass meine Songs große Ähnlichkeit mit denen von Chris Martin haben“, sagt er, „und ich glaube, wir haben etwas mehr zu bieten als Coldplay.“

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