Inhalt/Editorial

Dauerndes Abgucken ging schon in der Schule nach hinten los. Entweder kam’s raus oder man war plötzlich auf sich selbst gestellt und musste die Karten auf den Tisch legen. Lange genug begnügte sich auch die deutsche Popmusik damit, bei den Nachbarn, vor allem denen angloamerikanischer Herkunft, abzugucken.

Das begann mit Peter Kraus, dem „deutschen Elvis“, ging weiter mit Lords und Rattles, die britisch „beateten“, und führte zu den Scorpions, die in ihren besten Momenten amerikanischer klangen als die Amis selbst. Der Erfolg sei den Erfolgreichen gegönnt. Schlimm nur, dass die wenigen einheimischen Propheten im eigenen Land lange nichts galten. Pioniere der Krautrock-Ära wie NEU!, Harmonia oder Amon Düül II mussten sich jahrelang am Rande des Existenzminimums durchschlagen, bevor sie über den Umweg Amerika und England, wo ihre Arbeit schon früh respektiert wurde, auch daheim die überfällige Anerkennung fanden – Kraftwerk und Can bilden da eine Ausnahme. Erst mit der Neuen Deutschen Welle trauten sich bundesdeutsche Musiker, auf breiter Front die Muttersprache zu benutzen und einer musikalischen Vision zu folgen, die sich kontinentale Traditionen wie Schlager und Chanson sowie neue Klänge und eine eigene, deutsche Ästhetik bewusst erschloss.

Dann fiel die Mauer, mit ihr die DDR (leider auch ihre Musikszene), und das wiedervereinigte Deutschland entwickelte sich zur eigenständigen Poprepublik mit globaler Optik. HipHop wurde adaptiert, Rock in einer umtriebigen Indieszene endgültig ins Deutsche übersetzt, und neue Impulse – Stichwort Techno – gingen plötzlich von hier aus in die internationale Szene.

Heute, sechzig Jahre nach den „Capri-Fischern“, vierzig Jahre nach den „Essener Songtagen“ und zwanzig Jahre nach der ersten „Love Parade“, hat der deutsche Pop eine überraschende Vielfalt an Stilen und Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt. Gut so. Und am besten immer dann, wenn wir nicht bei den anderen abgucken.

Viel Spaß mit SOUNDS!

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