It’s getting better, man: OASIS haben mit der jüngsten Tour die nächste Stufe ihres Plans zur Welteroberung erreicht

England boomt, selbst die Midlands sind eine einzige Baustelle, und Birminghams teure Tränken und Freßpaläste sind überfüllt bis lange nach Mitternacht Morgens um drei werden Fan-Gruppen gesichtet, wie sie in der Lobby eines Vier-Sterne-Hotels umständlich nach ihren Zimmerschlüsseln fummeln, naßgeschwitzt von einer Pub-Sause und noch völlig ausgepumpt von den 105 Minuten Euphorie pur, die sie sich von Oasis geholt haben.

Es mag unterm Strich ein eher bescheidener Wohlstand sein, der hier ausgebrochen ist, auf halbem Wege zwischen Manchester und London, aber „things are looking up, mate“, wie ein 18jähriger Fan bei der After-Show-Party lautstark verkündet. Wie es ihm so gehe, hatte Noel ihn gefragt. Und ein Gallagher floskelt nicht.

Ob es Lernfähigkeit ist oder die äußerliche Anpassung an den eigenen Mega-Status, sei dahingestellt, aber daß ebe Oasis-Show nicht mehr dasselbe ist wie noch vor einem Jahr und wohl auch nie mehr sein kann, wird bereits offenkundig, als sich nach dem fantastischen Support-Set von Travis der Vorhang öffnet und den Blick freigibt auf, Schock! Horror!, ein Bühnendekor. Das Schlagzeug auf dem Rumpf eines Rolls Royce, eine riesige Uhr mit römischen Ziffern, deren Zeiger rückwärts gehen, und eine noch größere, schräg aus dem Bühnenboden ragende rote Telefonzelle. Eine pop-surrealistische Kulisse, die an „The Avengers“ erinnert und an „The Prisoner“, Sixties-vernarrt und durchaus selbstironisch.

Was für ein Kontrast: früher spartanische, auf unverdünnte Song-Präsentation reduzierte Anti-Show mit einer Viererkette, jetzt Inszenierung mit dramaturgisch plaziertem Personal. Liam als Libero mal vorne, mal oben in Heldenpose, mal über die Bühne vagabundierend auf der Suche nach dem Tambourine, das er an strategischen Stellen ins von Spotlights durchschnittene Halbdunkel feuert. Okay, er tanzt nicht gerade, steht meist zur Salzsäule erstarrt, wie man ihn liebt, die Hände auf dem Rücken, den Blick unverwandt auf die wogenden Massen. Trotzdem: so viel Bewegung war nie, so viel Projektion.

Auch akustisch kommen Oasis anders daher. Perfekter klingt alles, was nur teilweise an der neuen, Millionen teuren Anlage liegt. Die Musik ist durcharrangiert, jeder Song genau bemessen. Im Hintergrund, unter der Uhr, werkeln zwei Keyboarder, die Lücken ausfüllen und den Sound ins Überdimensionale pushen. Kein Platz für Ausbrüche mehr. Keine Giftpfeile von Liam mehr in Richtung Noel, wenn jener sich in einem Solo verlor. Das rigide Timing killt derlei Spontaneität, kräftigt aber das Material. Oasis lassen die Muskeln spielen.

Die National Indoor Arena ist eine moderne Mehrzweckhalle mit mäßiger Akustik, die gut zehntausend Menschen faßt. Siebenmal soviel wollten Oasis erleben, zweimal spielen sie nur. Das schafft ein zusätzliches Moment der Solidarität unter den Glücklichen, die ein Ticket ergattern konnten. „Are ya mad for it?“, fragt Liam rhetorisch. Den affirmativen Aufschrei nicht abwartend, haut Noel das Riff zu „Be Here Now“ raus, und dann gibt es kein Halten mehr. Magie oder Massenpsychose, jedenfalls singt die Hälfte des Publikums von der ersten Strophe an mit, bis zur Zugabe, während die andere Hälfte an bedeutsamen Stellen einstimmt. Bei „We know just what we are“ etwa in „Stay Young“, beim Refrain von „Don’t Look Back In Anger“ oder „D’You Know What I Mean“ komplett Gänsehaut a go go.

Liam hat selten besser gesungen, Noel ist heiser. Macht nichts. Sein Solo-Set zur Klampfe ist eh gestrichen. So raunzt er sich durch „Magic Pie“ und „Anger“ und ist dann heilfroh, als sein Bruder sich wieder dem Mikroständer nähert.

„This is one’s for Princess Diana“, hatte Liam ein paar Wochen davor im Londoner Earl’s Court angekündigt, und Oasis hatten „Live Forever“ gespielt. Fünf Lads verneigten sich vor der Lady. Schwer nachvollziehbar auf dem Kontinent, in London begrüßt „with a roar of approval“, wie man der Presse entnehmen konnte. Früher hatten Oasis zu diesem Song Dias gezeigt von Jimi Hendrix, Brian Jones und John Lennon. Heute in Birmingham sagt Liam schlicht „this is one’s for everybody“. Derselbe Zuspruch, dieselben glänzenden Augen und, wenn man es sich recht überlegt, der selbe Inhalt: Oasis feiern heißt ja schließlich nichts anderes als sich selbst erhöhen. England träumt.

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