Jacob Collier im Interview: über seine Welttournee, Quincy Jones und Stevie Wonder

Vor dem Soundcheck für seinen Berlin-Auftritt haben wir Jacob Collier getroffen, um herauszufinden, wer die Person hinter den Millionenklicks ist – und was Quincy Jones mit Kendrick Lamar gemeinsam hat

Er gilt seit Jahren als  das „Wunderkind“: Der Sänger, Arrangeur, Komponist und Multiinstrumentalist Jacob Collier hat zwei Grammys für seine beiden ersten Alben gewonnen (insgesamt vier für alle vier Editions seines „Djesse“-Projekts), wurde von Quincy Jones gefördert und danach bekannt als hibbeliger, multi-talentierter YouTutube-Star. Zahlreiche Instrumente spielend und singend, vermischt er Elemente von Jazz, A cappella, Groove, Folk, Trip-Hop, klassischer Musik, Gospel und Soul mit Improvisation. Einst befanden ihn manche Kritiker jedoch auch als nahezu anstrengend und zu sprunghaft.

ROLLING STONE möchte wissen: Wer und wie ist dieser Mensch nun wirklich? Ist Collier mittlerweile gereifter und musikalisch erwachsen geworden? Inmitten seiner Welttournee machte Collier einen Stopp in Berlin für ein Konzert – und ein Gespräch.

 Interviewvideo mit Konzerteindrücken:

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ROLLING STONE: Musik kennt viele Akkorde. Wäre Jacob Collier ein Akkord – welcher wäre das? 

Jacob Collier: Es gibt nicht „den einen Akkord“. Das hängt von meiner Laune ab, aber heute wäre es zum Beispiel: (singt) Ein warmer Akkord, nicht zu aufdringlich, gefühlvoll … in meinem Kopf ergibt es Sinn. Akkorde sind immer mit Gefühlen verbunden. Es gibt jedenfalls nicht den einen Jacob-Collier-Chord. 

Manche sagen, Ihre Musik klingt so, als hätten Sie neue Akkorde erfunden.

Ich würde nicht sagen, dass ich etwas Neues erfunden habe. Ich habe nur Akkorden, die gut klangen, Namen gegeben … damit ich sie nicht vergesse. Aber alle diese Noten und Notenfolgen existieren bestimmt irgendwo bereits, oder jemand hat sie schon erfunden. Ich denke manchmal einfach: „Oh, das könnte mit dem Chord zusammenpassen, und der mit dem …“

Dieses Gefühl ist aufregend, Heureka-gleich. Aber nichts im Universum ist neu, sind alles einfach nur Atome, die sich neu definieren und neu kombinieren. So gibt es das manchmal auch in der Musik. Letztendlich hat jeder irgendwo seinen ganz persönlichen Nordstern, fühlt sich zu etwas Speziellem hingezogen und kombiniert und macht Musik auf seine eigene Art und Weise. 

Sie werden als „Wunderkind“ oder „Einstein der Musik“ bezeichnet. Was macht das mit Ihnen?

Das verursacht Druck, definitiv Druck! Aber den meisten Druck mache ich mir selbst. Ich weiß, was ich höre und hören will und will das Beste erreichen, den besten Klang, den ich dann mit der Welt teile. Aktuell habe ich in jedem Moment immer mehr Optionen, immer mehr Musiker*innen, mit denen ich potenziell arbeiten könnte, eine Welttournee, neue Alben. Das Harte ist also, eine Entscheidung zu treffen, welche von all diesen Optionen ich umsetzen möchte und kann. Abgesehen davon liebe ich Druck, weil er mich vorwärtstreibt. 

Mehrere Millionen Aufrufe auf YouTube, Instagram und Co: Wie wichtig sind diese Zahlen? 

Es ist so schon hart, Mensch zu sein, aber vor allem, seit alles online existiert. Nicht auf alle diese Zahlen und Skalen zu achten, sich nicht an ihnen zu messen. Mir ist wichtig: Die Qualität dessen, WIE du etwas gibst, ist wichtiger als die Menge, die du gibst. Erreichst Du Menschen durch dein Herz? Du kannst sie natürlich durch deine Augen aufmerksam machen, aber dich mit ihnen verbinden kannst du nur durch dein Herz. 

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Was treibt Sie an?

Oh, jeden Tag das Gefühl, auf die Bühne zu kommen, alles rauscht und klatscht. So vieles, das einen erreicht. Ich denke eben generell: Je mehr man gibt, umso mehr erhält man. Ich habe so viel von Zuhause aus gearbeitet, besonders in Lockdown-Zeiten, habe Alben und Videos gemacht – jetzt jeden Tag in einer anderen Stadt auf die Bühne zu kommen und zu sehen, dass sie alle da sind … das ist so wertvoll.

Sie haben mit Quincy Jones, Herbie Hancock, Hans Zimmer und Chick Corea gearbeitet. Mit wem würden Sie noch gerne Musik machen?

Auf jeden Fall mit Rosalía. Auch mit Kendrick Lamar, eine absolute Ikone für mich. Und mit Stevie Wonder, den ich bereits einige Male treffen durfte. Er ist einfach wunderbar. Leider haben wir noch keine Musik zusammen produziert. Das würde ich gerne noch tun.

Jacob Collier mit Quincy Jones, 2014.

Was mögen Sie an der Zusammenarbeit mit Quincy Jones?

Er ist ein absolut einzigartiges menschliches Wesen. Er sagt so viele interessante Dinge, spricht so oft über die Balance zwischen Wissenschaft und Seele, das Verstehen und das Gefühl, das sich daraus ergibt. Er liebt Menschen so sehr und spricht gefühlt 80 Sprachen. Er hat immer für jeden eine Geschichte, einen weichen Ort in seinem Herzen.

Sie haben innerhalb kürzester Zeit vier Alben aufgenommen und veröffentlicht ….

Ich hatte begonnen, eines aufzunehmen, aber dann festgestellt, dass nicht genug Platz auf dem einen Album für alles ist. Dann habe ich ein zweites gemacht. Und wieder festgestellt: Auf den beiden ist nicht genug Platz für alles. Also wurden es drei. Und jetzt ist es immer noch nicht fertig … also gab es dann vier. Jedes Album hat einen eigenen Charakter. 

Kommt 2023 auch eines?

Ich denke ja. Ich arbeite momentan wieder an sehr vielem.

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Die aktuelle Platte Djesse Vol.3 ist das vierte Album des englischen Musikers, veröffentlicht am 14. August 2020

Stefanie Keenan Getty
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