„Jahresrückblick 2003 – Januar: „Guten Tag“

„Guten Tag, guten Tag, ich will mein Leben zurück“ von WIR SIND HELDEN, der Song, der wie von Geisterhand auf alles passte im Jahr 2003 – auf das Anprangern von Wahllügen, auf das neue, defensive Selbstbewusstsein der Europäer im Angesicht der bedrohlichen USA, auf die Studentenproteste, auf die Casting-Shows und die armen Opfer des Showbusiness, auf die Lockerung des Kündigungsschutzes – „meine Stimme gegen ein Mobiltelefon/ Meine Fäuste gegen eure Nagelpflegelotion“.

Ein Lied zum Haareschütteln auf der Stelle, auch höflich: „Ich will mein Leben zurück“ ist genau genommen eine Bitte, ein gemütlich gewaltloser Protest und keine Hausbesetzung. Besser als die Sängerin Judith Holofernes konnte sowas im Fernsehen nicht aussehen. Diese Judith verblüffte, als sie in Interviews mit Jugendzeitschriften spaßfeindlich für Konsumverzicht und gegen Geschlechter-Stereotypen war und die Hefte das auch so druckten. Viele grüne Ideale wurden im vergangenen Jahr (nach der Vorzüchtung durch die Globalisierungsgegner) wieder restlos schick, vor allem bei den Jüngeren. Ein Hippietum auf neuestem Stand der Technik, dieses Lied war der Verkündigungsruf Dann kam noch die Zeitschrift „Neon“, ein fotografisch hübsches Kompendium darüber, wie man auch im fortgeschrittenen Alter passiv bleibt und das trotzdem als gesellschaftliche Haltung empfindet. Im „Neon“-Ranking der wichtigsten jungen Deutschen kam Judith Holofernes auf Platz 66. (JH)

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