Jeff Tweedy – Souveräne Seitenpfade

Jeff Tweedy musizierte nebenher auch mit The Golden Smog, Billy Bragg und The Minus 5 souverän. — Jay Farrar blieb mit Son Volt und solo erfolglos.

„Am Anfang mussten es nicht mal gute Songs sein“, erinnerte sich Gary Louris noch im Spätsommer 1998 gern und lachend. Am Anfang von Golden Smog – so um 1989 herum – waren der Jayhawks-Mann, sein Bandkumpel Marc Perlman sowie Dan Murphy (Soul Asylum), Kraig Johnson (Run Westy Run) und damals noch Chris Mars (Replacements-Drummer und Cover-Zeichner) erst zu später Stunde öfter durch die Bars von Minneapolis gezogen und dann irgendwann doch noch kurz in ein Studio. Freilich mit guten Songs. Die Cover-Debüt-EP „On Golden Smog“ glänzte 1992 vor allem mit einer Folk-Lesung von Jagger/Richards‘ „Backstreet Girl“, daneben wurden Bad Companys „Shooting Star“ und Thin Lizzys „Cowboy Song“ abgefeiert. Der treue Roadie sollte schließlich auch mal singen dürfen.

Am Anfang war Jeff Tweedy noch nicht mit von der Party. Beziehungsweise: Scot Summit. Die zweiten Vornamen und die Straße der Kindheit lieferten die Pseudonyme für Golden Smog. Vertragliche Verpflichtungen, Sie verstehen. Gewiss, man kannte sich schon. Immerhin hatte Gary Louris (alias Michael Macklyn) schon 1991 auf Uncle Tupelos „Still Feel Gone“ gastiert. Doch bereicherte Tweedy erst das nun fast coverlose Album-Debüt „Down By The Old Mainstream“ von 1996 mit Songs wie dem unbekümmerten „Pecan Pie“. Fast besser war zwei Jahre darauf das bis heute letzte Golden Smog-Kapitel. Für „Weird Tales“ nahm man sich einen ganzen Studio-Monat (und nicht nur fünf Tage) in Memphis. Da konnten sogar die Pseudonyme fallen. So schrieben Louris und Tweedy das delikate „Fear Of Falling“ mit dem frisch rekrutierten ex-Big Star-Trommler Jody Stephens. „All The Same To Me“ klang derweil schon wie ein Entwurf für „Summerteeth“. Auch die zudem hübsch verpackte Promo-Single „Until You Came Along“ lohnt die Suche. Immerhin singt Rosanne Cash gemeinsam mit Louris ihr eigenes „Seven Year Aache“ — und Jeff Tweedy Brian Wilsons „Love & Mercy“.

Aus der Bar-Band war also doch noch eine „serious band“ (Louris) geworden. Louris, der damals in Europa sogar eigens die Promo-Trommel für „Weird Tales“ rührte, hätte es wohl gern noch ein bisschen ernsthafter gehabt. Tour und so. Jeff Tweedy aber hatte ja längst noch ein anderes, großes Eisen im Feuer. Welcher Songschreiber dieser Klasse — und mit dieser Geschichte — hätte schon der Offerte von Billy Bragg widerstehen können, gemeinsam dan Woody-Guthrie-Nachlass fortzuspinnen? Zumal zumindest das erste Volume von „Mermaid Avenue“ 1998 jene Seiten der Protest-Song-Ikone in den Vordergrund rückte, die sonst hinter den „Dustbowl“-Songs, hinter der mythischen John Steinbeck-Figur nahezu unsichtbar blieben. Niqht zuletzt die eines Mannes wie du und ich, der sogar „Ingrid Bergman“ unsittliche Anträge machte. Das war Balsam auf die empfindliche Seele von Tweedy, der sich selbst in den Uncle Tupelo-Nachwehen auf die „No Depression“-Klischees reduziert wähnte. In den Wilco-Shows dieser Zeit griff er sich jedenfalls gern die hinreißend romantischen „California Stars“ vom Guthrie-Firmament.

Jeff Tweedy packte also jede Gelegenheit beim Schöpfe, im seine musikalische Promiskuität auch jenseits von Wilco in verschiedensten Rollen leben zu können. 1998 auch mit seinem damaligen Mitstreiter Jay Bennett auf „Isolation Party“ von Power-Popper Tommy Keene und erst letztens auf „Down With Wilco“ von The Minus 5. Derweil blieb Jay Farrar auch nach dem abrupten Ende von Uncle Tupelo ein Mann einsamer Entscheidungen. Mit festem „6 String Belief“, so der Titel eines neuen Songs vom aktuellen Live-Mitschnitt „Stone, Steel & Bright Lights“, dirigierte er zunächst Son Volt, bevor er sich solo auf Alben wie „Sebastopol“und „Terroir Blues“ ein paar musikalische Freiheiten mehr nahm.

Jeff Tweedy hat oft gestoppt, aber wohl eher für einen guten Song als für ein schönes Mädchen mit traurigen Augen. Auf die Frage, ob er sich dabei manchmal nicht auch verzettelt habe, wird Gary Louris glatt ein bisschen philosophisch. „Solange noch viele Songs kommen, sollte man jede Gelegenheit nutzen, sie aufzunehmen. Jeder hat seine Zeit. Und die ist irgendwann vorüber.“

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