Jenseits von Hollywood

Trotz "Goldener Palme" mag Goran Bregovic keine Filmmusik mehr schreiben. Warum auch? Seine Musik hat längst ihr Eigenleben bewiesen.

Er sei „kein guter Filmmusik-Komponist“, sagt Goran Bregovic mild lächelnd. Er habe „nur das Glück gehabt, mit Leuten zu arbeiten, die nicht darauf angewiesen waren“.

Das klingt frech bis kokett aus dem Mund eines Mannes, der mit seinen Scores für die Filme des bosnischen Landsmannes Emir Kusturica zum Darling des westlichen Feuilletons aufstieg. Für „Time Of The Gypsies“ gab es 1989 gleich die „Goldene Palme“ in Cannes. Nach langer Ignoranz nötigt sein Oeuvre jetzt auch seiner deutschen Plattenfirma zwei Retrospektiven („Music For Films“ und „Songbook“} ab. Doch wer es Revue passieren lässt, muss dem Sohn einer Serbin und eines kroatischen Offiziers aus Sarajevo zustimmen. Zumindest die Maxime, wonach Filmmusik nur den Bildern zu dienen habe, hebelt Bregovic rigoros aus – mit wuchtiger Disziplin und anarchischem Esprit.

Den hatte er mit seiner Band Bijelo Dugme gerade verloren, als sein Freund Kusturica auftauchte. Musik für einen Film zu machen, das sei damals, so Bregovic heute, zwar jenseits seiner Vorstellungskraft gewesen. Doch hatte er „die Nase voll davon, ewig den smarten Gitarristen im Rampenlicht zu spielen“. „Archetypen zusammenzubringen“ sei dann das Hauptmotiv seines Soundtrack-Schaffens geworden. Und weil „fast alle gern mitmachen bei diesen kleinen Filmen“, konnte Bregovic bei Punk-Ikone Iggy Pop ebenso landen wie bei Scott Walker, für ihn „der meistimitierte Sänger der Pop-Geschichte“. Noch wichtiger für seine kreative Entfaltung war indes eine schöne, kürzlich verstorbene Frau aus Israel, die ihn bei den MTV-Awards beeindruckte: „Ofra Haza kam auf die Bühne und sang ein jemenitisches Volkslied in Landestracht. Die schönsten drei Minuten der Show! Diese kleine Frau und so viel Selbstbewußtsein, so viel Vertrauen in ihre kleine musikalische Kultur.“ Das hatte er in seine noch nicht. Traditionelle Musik war Bregovic sein Leben lang Inspiration, aber „damals dachte ich noch, ich müsste West-Klamotten drüberziehen“. Er lacht kurz. „Wie das so ist, wenn man jung ist“ „Arizona Dream“ führte das Balkan-Duo dann erstmals in die USA. Und gleich wieder zurück. „Der einzige Luxus, den man bei uns in einem armen Land genießen kann, ist Zeit“, beschreibt Bregovic den Mentalitätskonflikt mit der strikten Hollywood-Routine. „Drüben stehst du ständig unter Druck und findest niemanden, der mit dir Zeit verschwenden will.“ Ohnehin hat sich Bregovic, der nach Kriegsausbruch in seiner Heimat nach Paris übersiedelte, aus dem Soundtrack-Geschäft zurückgezogen. Andere Bühnen warten. „Ich lernte das Kino hassen und das Theater schätzen.“ Dort gehe es „nicht so hysterisch“ zu, so Bregovic, der bald mit einer Dante-Inszenierung am Hamburger Thalia-Theater gastieren wird.

Danach macht er selbst einen Film. Dokumentarisch will er das tägliche Brot seiner über 40-köpfigen Wedding & Funeral-Band aufschneiden, die balkanweit Hochzeiten und Beerdigungen beschallt. Schöne Geschichten „von Leidenschaft und Liebe“ erhofft er sich. Könnte die Filmmusik-Leidenschaft neu erblühen, wenn Hollywood noch mal ruft? Nicht zu dessen Bedingungen. Weniger gute Filmmusik-Komponisten brauchen eben mehr Zeit. Bregovic: „Damals sollte ich sechs Monate bis zum final cut nichts tun – und dann hat man einen Monat für die Musik. Das ist doch lächerlich.“

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