„Legends“: Der „Karate Kid“-Film, von dem man nicht wusste, dass man ihn braucht
„Legends“ ist ein unwiderstehlicher „Karate Kid“-Film, der die Angst der Amerikaner vor China schildert. Aber ist dies auch der Film, den man sich nach „Cobra Kai“ wünscht?
Mit den jüngsten „Rocky“-Filmen, aber auch mit den Kinofilmen des gelernten TV-Regisseurs J.J. Abrams („Star Trek Into Darkness““, „Star Wars: The Force Awakens“) hat sich der Rebrush im Hollywood-Kino etabliert: die Fortsetzung einer erfolgreichen Filmreihe nicht mit neuen Geschichten, sondern einer Variation der alten. Und das mit großem Erfolg.
Die Formel von „Karate Kid“ lebt weiter
Das geschieht auch bei „Karate Kid“ (dessen Kino-Erfolg sich noch zeigen muss). Ein Junge (im Original Daniel La Russo – in „Legends“ Li Fong) aus einer fremden Kultur (Newark – Peking) zieht in eine neue Stadt (Los Angeles – New York) und verliebt sich in ein Mädchen (Ally – Mia), wofür er Dresche von deren Ex (Johnny Lawrence – Conor Day) erhält. Der Junge will das Mädchen dennoch. Und trainiert für ein Turnier, um die Sache mit dem Rivalen, eine Art Mike Barnes aus dem 3D-Drucker der skrupellosesten Fighter, offiziell und für alle sichtbar zu klären.
Der klassische Kampf um Ehre, Liebe und Selbstbehauptung
Filmpreise wird der von Rob Lieber geschriebene und von Jonathan Entwistle gedrehte „Karate Kid: Legends“ also nicht erhalten. Aber genau diese uralte „Karate Kid“-Formel, dieses „From Zero To Hero“ unter Teenagern, etabliert 1984 von John G. Avildsen und mit dem Original-Kid Ralph Macchio in der Hauptrolle, triggert die richtigen „Hell Yes“-Gefühle. Was soll man machen: Man will Underdogs siegen sehen, man will, dass sie das Mädchen kriegen – und man will, dass sie dem Bully die Visage polieren, notfalls sportlich.
Mobbing und Rassismus im Alltag
Li Fong (Ben Wang) hat keine andere Wahl, als von Tag eins an zu kämpfen. Vom Vater seiner neuen US-Freundin wird er liebevoll als „chinesischer Peter Parker“ bezeichnet, weil er recht gut im Sprungkarate ist und ein paar Gammler zurechtstutzen kann, die Geld vom Alten eintreiben wollen. Sein Schul-Bully Conor Day (Aramis Knight) nennt ihn nur höhnisch „Peking!“, und auch wenn „Karate Kid: Legends“ keine Aufsteigergeschichte unterprivilegierter Einwanderer erzählt (Lis Mutter ist Ärztin, er bezieht ein Generation-Z-Zimmer), kommt in dem Rassismus doch eine sehr spezifische Angst zum Ausdruck. Die unterschwellige Angst des Amerikaners vor China. Der New Yorker Conor ist der Champ der „5 Boroughs“, aber wenn ein Mensch aus dem Ursprungsland der Sportart, die er liebt, in seine Stadt kommt, wird er nervös. „Es gibt kein Zurück, Peking!“, sagt Conor. „Ich werde nirgendwo hingehen“, entgegnet der Chinese Li. Das wird der Amerikaner ernst nehmen. China bleibt. Conor fühlt sich durch Lis Herkunft in seiner Dominanz bedroht.
Später trainiert Li seinen härtesten Kung-Fu-Sprung, den „Drachenflug“, an einem ungewöhnlichen Gerät: dem Drehkreuz am Eingang der U-Bahn-Station, eines der Markenzeichen New Yorks. Eine schöne Zweckentfremdung und Huldigung einer fremden Kultur. In Martin Scorseses „After Hours“, dem vielleicht schönsten New-York-Film, sprang Griffin Dunne über das Kreuz (später von Scorsese in Michael Jacksons „Bad“ wieder aufgegriffen). Li wirbelt darunter durch.
Kampfkunst-Philosophie als zentrale Erzählung
Aber warum eigentlich Kung-Fu, wenn der Film doch „Karate Kid: Legends“ heißt? Die Veröffentlichung eines Kinofilms mit diesem Namen und dieser Besetzung war nicht unbedingt zu erwarten. Angekündigt wurde „Legends“ bereits 2022, mit den bestätigten Stars Ralph Macchio und Jackie Chan (in in der Rolle als Lis Trainer Mr. Han), die beide in „Karate Kid“-Streifen mitspielten, aber nun erstmals ein so genanntes „shared universe“ bevölkern. Dann aber entwickelte sich die „Karate Kid“-Streamingserie „Cobra Kai“ zu einem immer größeren Erfolg. Und das, ohne den Namen „Karate Kid“ auch nur ein einziges Mal in sechs Staffeln erwähnt zu haben.
Karate und Kung-Fu: Eine gewagte Fusion
Nach Ausstrahlung der finalen Staffel in diesem Jahr schien ein Spielfilm naheliegend. Von Netflix produziert und besetzt mit dem kompletten „Cobra Kai“-Cast. Davon ist hier nur Ralph Macchio zu sehen, der für Sony Pictures das Projekt realisierte, und nun einem chinesischen Kung-Fu-Kämpfer im Schnelldurchlauf Miyagi-Do-Karate beibringen soll. Ja, der Versuch Kung-Fu und Karate für „Karate Kid: Legends“ zu verschmelzen, wirkt etwas gezwungen. Zumal Li am Ende vielmehr den Johnny-Lawrence-Rat seiner Mutter (Ming-Na Wen) annimmt, um Conor im Ring zu besiegen: Wenn nichts mehr hilft, dann keine Miyagi-Defensive, sondern draufhauen.
Daniel La Russos „Rekordauftritt“
Ralph Macchios neuer Mentor Daniel La Russo bricht in dieser Erzählung vielleicht den Rekord des längsten Cameos der Kinogeschichte: 40 Minuten Fan-Service. Denn was ein Cameo auszeichnet, zeichnet auch La Russo in dieser Rolle aus: ein Auftritt, über den man sich einfach nur freuen soll, ohne dabei zu bemerken, dass man in diesem 40 Minuten gar nichts über sein Leben erfahren hat. Sein Leben nach „Cobra Kai“. Denn davon will man doch erfahren. Vielleicht wird das zurückgehalten – für einen „Cobra Kai“-Film von Netflix?
William Zabka kehrt zurück
Apropos Johnny Lawrence. Es ist kein Spoiler, ihn hier anzukündigen. Er wird in den Filmcredits als „Special Guest Star“ gelistet. „Cobra Kai“ schilderte Johnnys Erlösungsgeschichte, nicht die des „Karat Kid“ Daniel. Das erkannte auch Produzent Ralph Macchio nach zwei Staffeln. Und ließ die Drehbuchautoren gewähren, ihn selbst weiter an den Rand zu schreiben. Zu diesem Verzicht gehört Größe. In „Legends“ erhält Johnny-Darsteller William Zabka einen Auftritt am Ende, mit dem er sich die Schlusspointe sichert. Natürlich auf Kosten von Miyagi-Do.