Keine Zeit für Posen

SAG MAL, HAST DU DIE E-Mail-Adresse von (hier bitte den Namen eines bekannten deutschen Musikers einsetzen)? Der könnte doch auch mal ein Buch schreiben. Oder?“ Diese Frage hört man als Musikjournalist öfter, wenn man auf einen Literaturagenten trifft (danach kommt meist die Aufforderung, doch mal ein Exposé für eine Bosshoss-Biografie zu schreiben).

Vermutlich ist das noch immer eine Folge des unfassbaren Erfolges von Sven Regeners Herr-Lehmann-Trilogie. Auch wenn der Element-Of-Crime-Sänger natürlich nicht der Erste war, bei dem der Sprung vom Song zum Roman hierzulande ziemlich gut funktionierte – man denke etwa an den Musiker („Der letzte Cowboy kommt aus Gütersloh“) und späteren Autor („Das Herz ist eine miese Gegend“) Thommie Bayer.

„Die Verlage sagen sich halt, es ist leichter jemanden ins Gespräch zu bringen, der schon im Gespräch ist“, meint Frank Spilker, Sänger und Songschreiber bei den Sternen und seit neuestem auch Buchautor. „Man muss dem ROLLING STONE nicht mehr groß erklären, wer der Spilker ist. Das ist schon mal eine gute Basis. Aber natürlich kommt es dann auch noch darauf an, dass der Musiker schreiben kann -ist ja klar. Das muss beides zusammenkommen. Daran glaubt mein Verlag.“

Und da liegt sein Verlag auch ganz richtig. Denn Spilkers Romandebüt mit dem nach einem Sterne-Song klingenden Titel „Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen“ (Hoffmann und Campe, 17,99 Euro) liest sich ziemlich gut. Was sicher zu einem großen Teil daran liegt, dass der 47-Jährige in seiner Prosa der lakonische, selbstironische Beobachter bleibt, der er auch in seinen Songs ist, und über etwas schreibt, das er kennt: die Hamburger Kreativszene.

Im Mittelpunkt des Romans steht der Grafiker Thomas Troppelmann. Er ist nach der Schule aus der Provinz in die große Stadt geflüchtet, weil er kreativ sein wollte und sich selbst erfinden, statt in den bürgerlichen Strukturen der Eltern zu funktionieren. Doch mit der Freiheit kommt auch Verantwortung, und das überfordert ihn schließlich mit Anfang 40, als der jugendliche Schwung weg ist und die Aufträge für sein kleines Grafikbüro ausbleiben. Und so holt ihn seine Vergangenheit, die Herkunft und alles was damit zusammenhängt, wieder ein. Er flieht aus Hamburg, zunächst zu einer Ex-Affäre, die sich pragmatisch im kleinbürgerlichen Leben eingerichtet hat, dann zu seinen Eltern, und schließlich zieht es ihn an einen Kurort im Schwarzwald, wo er als kränkelndes Kind einmal einen Teil seiner Ferien in der Obhut strenger Nonnen verbrachte.

„Die Hauptfigur sollte mir und meiner Szene nahe sein und gleichzeitig kein Musiker sein“, erklärt Spilker die Grundidee seines Debüts. „Ich bin der Meinung, dass man viele Sachen einfach besser beschreiben kann, wenn man sie erlebt hat. Es muss ja keine Nabelschau sein. Aber man muss wissen, wie sich das anfühlt.“ Und so bekommt man über den Nicht-Musiker Troppelmann einen Einblick in das Leben der durch die Krise der Plattenindustrie arg gebeutelten Hamburger Subkultur. Die Kunstform alternativ-kritischer Popmusik sei tot, behauptet etwa Cole, der letzte Indie-Star an der Bar.

„Die Realität in die Kunst zu bekommen, das hat mich immer schon interessiert -auch als Songwriter“, sagt Spilker und beruft sich auf den US-Autoren Dashiell Hammett, der in den 20er-und 30er-Jahren mit Kurzgeschichten und ROmanen wie „Der Malteser Folke“ das sogenannte Hard-boiled-Genre prägte. „Er ist der erste Krimi-Autor gewesen, der wirklich mal in einer Detektei gearbeitet hat. Und das merkt man seinen Büchern an. Was den Realitätsgehalt angeht, stehen seine Detektivromane so weit über dem, was in dem Genre vorher geschrieben wurde wie ,The Wire‘ über einem ARD-Vorabend-Krimi.

Als hard-boiled kann man Spilkers Stil allerdings sicher nicht bezeichnen. Sein Held ist auch kein hartgesottener Detektiv, sondern ein etwas selbstmitleidiger, vor dem Erwachsenwerden fliehender Drifter, dem allmählich klar wird, dass die Welt nicht mehr dieselbe ist wie vor 20 Jahren. Und er selbst ist auch längst ein Anderer. Dass „Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen“ trotzdem niemals larmoyant wirkt, ist vor allem dem Witz und dem Timing des Autors zu verdanken, der die Situation immer im richtigen Moment mit einer surrealen Pointe rettet. „Das ist die Erfahrung des Musikmachens“, erklärt Spilker. „Ab und zu muss man dem Affen Zucker geben, damit die Leute wieder wach werden. Es kann nicht immer nur um die Message gehen kann. Man braucht Höhepunkte, Tempowechsel, Überraschungen.“

Knapp zwei Jahre hat Spilker an „Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen“ gearbeitet, sich, wie er selbst sagt, im Erzählen geübt, und den Text mit seinem Lektor zusammen auf das Wesentliche heruntergekocht, so dass am Ende gut 160 Seiten in Druck gingen. „Romane von 600 Seiten sind selten gerechtfertigt“, sagt er. „Selbst wenn es kurzweilig war, denkt man sich am Ende: Das war aber ein ganz schöner Umweg. Fürs Erste ist es besser, den direkten Weg zu gehen. All die Passagen, die rausgeflogen sind, kann ich mir ja immer noch mal vornehmen.“

Fürs Erste ist die Arbeit getan, das Buch ist draußen, und Spilker wartet gespannt auf die Reaktionen. Ein bisschen nervös ist er schon. „Man kann sich ganz schlecht verstecken“, sagt er, „in der Musik bleibt einem als Ausweg immer noch die Pose. Wenn ein Song nicht so richtig knallt, dann kann man immer noch sehr viel mit Ausdruck machen und wie man den so rüberbringt. Das ist jetzt schon anders. Ich kann das Buch natürlich vorlesen, aber so ist es ja nicht gemeint.“

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