Birgit Fuß fragt sich durch: Ist Warten Zeitverschwendung? Das sagen Element of Crime

Was bringt Trägheit? Das kann niemand besser wissen als Element Of Crime.

Das Jahr 1994 spielt in der Redaktion gerade eine große Rolle, denn damals im Herbst wurde der deutsche ROLLING STONE gegründet – und dieses Jubiläum soll natürlich gebührend gefeiert werden. Auch vor dreißig Jahren erschien „An einem Sonntag im April“, das siebte Album von Element Of Crime.

Anfang der Neunziger hatte die Band einen Lauf: 1991 „Damals hinterm Mond“, 1993 „Weißes Papier“ und 14 Monate später schon ihr drittes deutschsprachiges Werk. Die Besetzung bestand damals aus Sänger/Gitarrist/Trompeter Sven Regener, Gitarrist Jakob Ilja, Schlagzeuger Richard Pappik und Bassist Paul Lukas, der später durch Dave Young ersetzt wurde, der hier wie so oft produziert hat.

Es gibt wunderbare Bläser und Streicher und Ekki Busch an Akkordeon, Orgel und Klavier – es ist also ein klassisches Element-Of- Crime-Album mit einem Sound, den nur diese Band so kann, zwischen Chanson und Rock, ein bisschen Vaudeville und viel Melancholie.

Warten kann sehr wertvoll sein

Widmen wir uns den Texten, finden sich auch da typische Topoi. Vor allem ein Thema, das sonst in der Popkultur eher unterschätzt wird, findet bei Sven Regener die nötige Anerkennung: das Warten! Normalerweise jammern Popsongs, wenn sie auf die Liebe warten, oder halten die Anspannung kaum aus. Begierde wird gern überhöht, aber das Nichtstun, das Ausharren, das Sich-Gedulden vor der Erfüllung hat keinen guten Ruf: Es gilt als Zeitverschwendung.

Anders hier: Nirgends auf der Welt wird das Warten zu so einer wertvollen Angelegenheit wie bei Element Of Crime.
Auf fast all ihren Alben gibt es Lieder, in denen herrlich wenig passiert – so auch auf „An einem Sonntag im April“. Es geht gleich so los: „Eine Ente aus weißer Watte/ Hat am Himmel festgemacht/ Wir warten, dass sie weiterzieht/ Und wieder ist ein Stündchen rumgebracht.“

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Am zärtlichsten kommt die Welt im halb trotzigen, halb ängstlichen „Ich kann warten“ zum Stillstand: „Ein Hörer, den ich täglich blank poliere/ Ein Kabel, das sich in der Wand verliert/ Was mach ich bloß, wenn jemals einer anruft/ Was mach ich bloß, wenn du mich je berührst?“ In „Ganz leicht“ bekommt man eine Ahnung davon, warum sich all die Mühe lohnt, in „Weil du nicht da bist“ ist die Schwerfälligkeit zurück. Stumpf im Gras liegen vor Sehn- sucht, Schokoladenhasen essen gegen ein Verlangen, das kein Zucker stillen wird. Äußerlich geschieht vielleicht wenig, das Besinnen aufs Innere ist das Aufregende.

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„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen“, hat Astrid Lindgren einst gesagt. Doch jenseits von Kinderbüchern wird Warten als zu passiv, als Phlegma abgelehnt – und selbst in Märchen steht meistens die Aktion im Mittelpunkt, es muss etwas passieren. Außer beim „Dornröschen“, das in einen hundert Jahre dauernden Schlaf verfällt, weil die böse 13. Fee eine Spindel verhext hat.


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Der Dauer-Dämmerzustand ist eine zauberhafte Allegorie der dösigen Teenagerzeit, und es ist ein bisschen schade, dass es einen Prinzen braucht, um das Mädchen aufzuwecken. Aber die Liebe bleibt eben das Mächtigste auf der Welt, sie fordert mal Geduld und mal Mut – das ist bei den Elements nicht anders.

Auch diese Zeilen sind seit dreißig Jahren wahr und schön: „Und ich warte nicht/ Bis du zu mir kommst/ Ich geh selber hin und sehe, wo du bleibst.“

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