Kinostart der Woche: „The Road“

Die Verfilmung von Cormac McCarthys postapokalyptischem "The Road" entfaltet ihre Wucht im Zwischenmenschlichen. Oliver Hüttmann ist voll des Lobes für den Film von Regisser John Hillcoat, bei dem Nick Cave den Soundtrack beisteuerte. Kritik und Trailer.

„Sind wir noch die Guten?“, fragt der Sohn. Ja, antwortet der Vater, natürlich. „Und werden wir es auch bleiben?“, hakt der Junge nach. „Egal, was passiert?“ Der lakonische Dialog in der Mitte des Films bringt beklemmend auf den Punkt, was man bis dahin gesehen hat und was noch folgen wird – Verzweiflung, Gewalt und Misstrauen, aber auch Überlebenswille, Hoffnung und ein zarter Rest an Menschlichkeit. Fast jeder ist sich selbst der Nächste in der Verfilmung von Cormac McCarthys gleichnamigem Roman, einer radikalen Parabel über die Ethik in einer brutalen postapokalyptischen Welt.

Eine Katastrophe hat die Zivilisation ausgelöscht. Es gibt nichts zum Essen, keine Tiere oder fruchtbaren Äcker. Die Temperaturen liegen konstant nahe am Gefrierpunkt, der Himmel ist von einem grauen Ascheschleier verdunkelt. Der Vater (Viggo Mortensen) und sein Sohn (Kodi Smit-McPhee) sind alleine und fast verhungert auf dem Weg zur Küste. Dort hoffen sie bessere Lebensbedingungen vorzufinden – und vor allem Menschen, die sich noch nicht dem Kannibalismus ergeben haben. Nur knapp entkommen sie einer bewaffneten Gruppe, die nach Opfern sucht. Sie durchstöbern jedes Haus nach Essbarem und entdecken Familien, die sich in der Scheune erhängt haben. Es ist eine deprimierende, ohnmächtige Stimmung. Wäre da nicht die kämpferische Stimme des Vaters, man würde auch als Zuschauer verzagen.

Seine Frau (Charlize Theron) hingegen hat bereits aufgegeben. In Rückblenden, inszeniert als gespenstisches Kammerspiel, schreit sie ihre Verbitterung darüber hinaus, dass sie überhaupt den Jungen in diese Aussichtslosigkeit hineingeboren hat. Vergeblich versucht er ihr Mut zu machen. Es sind niederschmetternde Momente, die nur einmal kurz verblassen, als die beiden ein unterirdisches Lebensmitteldepot aufspüren und im Kerzenschein dinieren. Der Vater, der zuvor versuchte, unter den unmenschlichen Bedingungen Würde zu bewahren und die moralischen Werte hoch zu halten, ist da schon so verroht, dass er selbst einem alten schwachen Mann (Robert Duvall) nichts vom Proviant abgibt. Einen Dieb lässt er ohne Kleidung zurück. Es ist der Junge, der ihn daran erinnert, was es bedeutet, wenn man wirklich zu den Guten gehören will.

So manch anderer Regisseur hätte aus dem düsteren Stoff wohl einen Horror- oder Actionfilm gemacht. John Hillcoat vermeidet zum kongenialen Score von Nick Cave jegliche Splatterorgie, streut aber dennoch unvermittelt einige schonungslos gedrehte, dramatische Gewalt- und Fluchtszenen ein. Seine Wucht entfaltet der Film im stillen Schmerz, in den ebenso angespannten wie zärtlichen Augenblicken und Gesprächen zwischen Vater und Sohn. Mortensen und Smit-McPhee spielen das mit enormer Intensität.

„The Road“ macht unendlich traurig, verstört, gibt einen durch die unerschütterliche Haltung der Hauptfiguren aber auch Kraft. Nach so viel Leid und Schrecken ist es legitim, dass trotz Tragik am Ende etwas Optimismus am Horizont erscheint.

no description Oliver Hüttmann

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