Kitty, Daisy & Lewis – Berlin, Admiralspalast

Höchst gegenwärtig: die Geschwister aus dem Londoner Norden.

Das Vorprogramm war pittoresk. Ein kreuzbraves Swing-Orchester, klapprige Steptänzer und eine Stripperin, bei der man froh sein konnte, dass sie am Ende mehr anbehielt, als sie ausgezogen hatte. Dem Publikum, beachtliche 1700 Köpfe stark, schienen die drolligen Darbietungen freilich nicht zu missfallen. Es wurde getanzt, geschwoft, gegockelt.

En-Vogue-Frisuren aus längst verflossenen Dekaden paradierten durch die Wandelgänge des Prachtbaus, Klamotten aus dem letzten halben Jahrhundert wiesen ihre Träger als bemitleidenswerte Fremdkörper aus. Kurzum, hier hatte sich eine Szene in Schale geworfen, für die Nostalgie kein Schimpfwort ist und Stilgefühl sowieso das höchste aller Gefühle. Sehen und gesehen werden.

Das änderte sich schlagartig, als sich der Vorhang für Kitty, Daisy & Lewis öffnete, und sich das Geschwister-Trio aus Londons Norden der betulichen Veranstaltung mit einem solchen Elan bemächtigte, dass manchem die Spucke wegblieb. Völlig unbekümmert legten die drei jugendlichen Multi-Instrumentalisten los, begleitet von Mom Ingrid am Standbass und Dad Graeme an der Rhythmus-Gitarre, leider indes sabotiert vom Mann am Mischpult, der die Mikros oft einen Tick zu spät aufmachte. Was auf der Bühne niemanden zu stören schien. In den Pubs, wo sich Kitty, Daisy &? Lewis ihre Sporen auf die beschwerliche Art verdienten, hatten sie es mit ganz anderem Unbill zu tun. Und so widmeten sie sich unprätentiös und unzeremoniell ihrem geliebten Repertoire aus Rhythm & Blues und Rockabilly, Bluegrass und Ska, letzteres assistiert vom legendären Skatalites-Trompeter Tan Tan.

Mitreißend! Vor allem, wenn Nesthäkchen Kitty ungestüm ihre Harmonica ins Spiel brachte, Daisy zum Akkordeon griff oder Lewis seiner Gitarre den erforderlichen Twang entlockte, nie perfekt, stets lustvoll. Schiere Musikalität statt penibler Traditionspflege, Stilsicherheit aus Passion: The kids are alright.

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