TV-Tipp: Leonard Cohen – „Live In London“
Mit einem illustren Ensemble inszenierte der großartige Leonard Cohen einen verfrühten Abschied von der Bühne.
Keiner kokettierte so charmant wie der Schwerenöter Leonard, der 2008 zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder zu einer Tournee aufbrach. Es war eine bejubelte Reise, die immer länger wurde und schließlich 700 000 Zuhörer anzog.
Ein Abschied sei es, so wurde damals gemunkelt. Cohens 75. Geburtstag stand bevor. Es ging danach noch weiter, ein Glück. Dennoch spürt man bei dem Mitschnitt „Live In London“ diese feierliche, manchmal fast andächtige Atmosphäre.
26 Songs aus über 40 Jahren präsentiert der charismatische Kanadier. Seine imposante Setlist gleicht dabei einer Hitliste der elegischen Standards: „Bird On A Wire“, „I’m Your Man“, „Hallelujah“, „So Long, Marianne“, „First We Take Manhattan“ – jeder Song eine Erinnerung, ein Herzschmerz, ein Wiedererkennen.
Leonard Cohen und die Musengesänge
Meist sparsam, aber pointiert instrumentiert, wiegen die Songs dahin zwischen Klezmer und Chanson – die Texte sind ja gewichtig genug -, immer unterstützt vom süßen, betörenden Musengesang der drei Background-Sängerinnen: den Webb-Schwestern und Sharon Robinson, einer der nicht wenigen Musen des Meisters, zugleich Produzentin und Songschreiberin seit „I’m Your Man“ im Jahr 1988.
Die Musiker werden nicht zur Begleitkapelle degradiert, sondern fast demütig gewürdigt – die Solisten stellt Cohen nach ihren Beiträgen namentlich vor, mit Robinson singt er „Boogie Street“ im Duett, und die Webbs dürfen sogar einen kompletten Song tragen – das himmlische „If It Be Your Will“.
Altersmild und sanft ironisch spricht Cohen ein paar letzte Weisheiten, beglaubigt von einem Lebenswandel zwischen Rausch und Askese, Eros und Kontemplation: „There is a crack in everything/ That’s how the light gets in.“ Alle möglichen Medikamente habe er versucht: „Prozac, Paxil, Ritalin“, doch nichts konnte ihm helfen: „Ain’t No Cure For Love“, stellt der ewige Frauenheld fest.
Ein Glück für uns, dass sie ihm alle begegnet sind: Marianne, seine norwegische Muse, die fünf Jahre auf der griechischen Insel Hydra mit ihm verbrachte (nicht immer an der mechanischen Schreibmaschine sitzend); Suzanne, die offenbar etwas verrückt war und ihn mit chinesischen Orangen fütterte; und Janis Joplin, die mit ihm im „Chelsea Hotel“ eine unvergessliche Nacht teilte.
Vor sehr langer Zeit habe er das letzte Mal in London eine Bühne betreten, erzählte der Mann mit dem Hut an diesem Abend: „Damals war ich 60 – ein kleiner Junge mit einem verrückten Traum.“ Ein Spitzbube blieb Leonard Cohen Zeit seines Lebens, berühmt und geschätzt für seine unvergesslichen Stücke, seine dunkle, erzählende Stimme und seinen herrlich trockenen Humor.
Arte zeigt am Freitag (09. Mai) nach der Dokumentation „Hallelujah“: Leonard Cohen, ein Leben, ein Lied einen Ausschnitt aus „Live In London“. Der Mitschnitt ist noch bis 06. August in der Mediathek zu sehen.