Live trotz Corona: „Beim Punk-Konzert saßen alle ultrakrass auf ihren Plätzen“

Almuth Wagner, Geschäftsführerin und Programmverantwortliche beim Live-Club (und Kino) UT Connewitz in Leipzig, über Konzerte mit Hygiene-Konzepten und Perspektiven für 2021 .

Wann war euer letztes Konzert?
Unser legendärer Lockdown-Tag war der 13. März 2020, wo wir ein ausverkauftes Konzert mit Chelsea Wolfe absagen mussten. Es folgte eine Phase der Verunsicherung und täglichen Zoom-Konferenzen mit dem „LiveKombinat“, einem Zusammenschluss der Leipziger Clubs und Musikspielstätten.

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Was waren die ersten Maßnahmen?
Wir haben einen pragmatischen Entschluss gefasst und den Umbau unserer Räumlichkeiten vorgezogen, der ohnehin bald passiert wäre. Mit komplett neuer Bühne. Wie oft bei Kernsanierungen zog sich das länger hin als gedacht. In dieser Phase haben wir ein Crowdfunding ins Leben gerufen, das immerhin 30.000 Euro gebracht hat. Ein wichtiger Ausdruck der Solidarität des Publikums, das uns als Team viel Kraft gegeben hat. Zudem wurden viele Tickets für verschobene Termine bewusst nicht eingelöst. Nachdem wir teilweise zum dritten Mal schieben mussten, scheint die Geduld nun aber langsam am Ende.

Was waren die gefährlichsten Klippen für euch?
Für die meisten Clubs im Lockdown ist ja die Mietforderung die Hauptbelastung. Diese haben wir zum Glück nicht. Wir sind ein eingetragener Verein, der das Haus vor vielen Jahren gekauft hat. Für das feste Team konnten wir auf Kurzarbeiter-Geld zurückgreifen, was extrem hilfreich war. Wir konnten die Strukturen erhalten, wenn auch Techniker und Solo-Selbständige leider hinten runter gekippt sind. Viele haben sich übers Jahr komplett anders organisieren müssen.

„Gerade beim Booking von internationalen Acts ist kein Land in Sicht“

Wieviel Tagesroutine ist nach einem Jahr Lockdown übriggeblieben?
Nicht viel. Mit den aktuellen Maßgaben der Politik fällt es schwer, eine eigene Strategie zu entwickeln. Alle Pläne, die wir ganz optimistisch intern aufgestellt haben, mussten wir immer wieder umschmeißen. Gerade beim Booking von internationalen Acts ist kein Land in Sicht.

Wo steht ihr jetzt?
Die Pessimisten unter uns, zu denen ich mich auch zähle, gehen davon aus, dass man das erste Halbjahr 2021 für Konzerte in geschlossenen Räumen vergessen kann. Wenn Veranstaltungen wieder möglich sind, werden alle versuchen, erstmal nach draußen zu wechseln. Unser Club liegt im Innenhof eines Häuserblocks und hat kein Außengelände. Also suchen wir gerade nach Alternativen für die wärmeren Monate, wo wir Open-Air-Sachen machen können. Realistisch betrachtet, wird es hoffentlich im Herbst 2021 wieder losgehen, wenn die Impfquote besser ist. Perspektive 2022…

Ihr gehört zu den Clubs, die Konzerte unter Hygiene-Bedingungen veranstalten konnten. Wie waren eure Erfahrungen?
Die Zahlen waren ja in Sachsen bis zum Herbst relativ niedrig, dass sogar Thekenbetrieb möglich war. Bei uns haben die Leipziger Jazztage gastiert, denen es im Oktober 2020 gelungen ist, ein Programm zu stemmen. Sogar mit internationalen Künstler*innen, die aus Frankreich oder der Schweiz einreisen durften. Bei uns gab es echte Konzerte mit 85 Sitzplätzen. Das lief reibungslos und sicher. Das mag wenig spektakulär klingen, aber die Leute waren definitiv froh. Bei den Avantgarde-Punks von Friedemann und COR saßen alle ultrakrass auf ihren Plätzen. In der letzten Reihe gab es bizarr maskierte Tanzbewegungen auf Abstand. Da konnte man sehen, was für eine positive Stimmung aufkommt, wenn überhaupt noch etwas passiert. Unser Team hat davon wirklich gezehrt. So nach dem Motto: Wir leben noch!

UT in Leipzig-Connewitz

Wie lief euer Open-Air-Projekt?
Das „Outs:de-Festival“ im August 2020 war eine Aktion des Live Kombinats, auf der Festwiese neben der hiesigen Konzert-Arena. Eine Kooperation von zwölf Leipziger Clubs mit Unterstützung der Stadt, die es so noch nie gegeben hat. Uns erschien es sinnvoller, gemeinsam Kultur zu veranstalten, anstatt jedem Laden eine relativ kleine Summe auszuzahlen. Dort gab es ganz unterschiedliche Musik, das ganze Spektrum von Techno/Electro bis Rock und Folk. Davon haben wir zwei Abende übernommen und konnten weitere Erfahrungen mit Hygiene-Konzepten sammeln. Auf dieser Wiese gab es Gitter-Abteile für jeweils rund zehn Leute, die aussahen wie kleine Schaf-Ställe.

Habt ihr ein Szenario für den Re-Start?
Wir planen, uns mit zwölf Konzerten bei der Aktion „Neustart Kultur“ zu beteiligen. Ein Beginn mit einer reduzierten Kapazität und einem entsprechenden Programm, das dazu passt. Dafür suchen wir gerade Acts. Wir haben ganz bewusst Bands aus der Region an den Anfang gesetzt, mit denen wir schnell und unkompliziert in Kontakt treten können. Für einen Konzertmonat wie früher ist der Vorlauf deutlich höher. Das wird dauern, bis das wieder in der gewohnten Routine läuft.

Jan Woitas picture alliance / dpa
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