Low-Budget in London: DIE STERNE aus Hamburg besuchen MTV, treffen Kimsy, geben ein Konzert und diskutieren nicht

In London ist ja sowieso mal wieder die Hölle los: OASIS!!!! Out now. Man ahnt, what they mean, Noel/Liam: kein anderes Plakat weit und breit, Plattenläden stapeln die Singles kubikmeterweise. Here now, hxr. Die Sterne aus Hamburg.

Müde sind sie, kommen gerade aus Berlin – Promotion-Rebe, Konzerte, Showcases – die ganze „Rockmühle“, die sie vor Jahren schon mal probehalber besangen und heute eben treten. Kofier zu, Affe tot. Und übermorgen geht es weiter nach München (oder Köln?).

Nun aber mal rasch zu MTV.

Are you a band? – Yes, äh, we are die Sterne -Who? – The, hm, stars – You know Tote Hosen? – Oh yeah, that’s the total opposite of us – Uh great, also Einstürzende Neubauten – Oh, you know them?

So geht’s zu mit Frank Spilker am Sonnenbrillenstand in Camden, aber die gelben Gläser stehen ihm nicht, eigentlich sucht er ja auch eine Hose (keine tote), und als alle Stände abgeschritten sind, murmelt er, daß er nun vielleicht doch ein bißchen zu eindimensional, mit einer zu eingeschränkten Sichtweise gesucht hätte, fixiert auf die Hose. Der Wonderwall in den Köpfen.

The Sterne go UK? Eigentlich gar nicht, wie auch, wenn man jahrelang nur vor und mit Leuten gespielt hat, deren Lieblingswort ja nun mal „Kulturimperialismus“ war und für alle Zeit ist. Da ist man vorsichtig und höflich, außerdem findet der ganze Trubel ja ohnehin nur statt, damit es daheim noch mehr abgeht.

Ist doch alles nur ein Spiel. Die Sterne aber reden lieber von „Verantwortung“ und „Nischenzusammenhängen“, und dann ist ja auch klar, daß man keine Hose findet. Bei MTV wird nun ein Kühlschrank verlost, den die Sterne selbst bemalt haben; warum, weiß keiner, wofür aber alle: Von London aus wird das nach Deutschland gesendet, natürlich wird deutsch gesprochen. Das sind Zusammenhänge. Dann albert Kimsy noch ein bißchen herum, ist selbst auch „totaler Fan“. Eine Gästelisten-Aspirantin. Abends wird der Club fürs morgige Konzert gesichtet, aha, ordentlich plakatiert, so ein Glück, und Kimsy foltert die sympathische Reisegruppe mit „Slammern“, einem Cocktail, der ordinär auf den Thresen geknallt wird, dann schäumt und so schnell und gut es eben geht weggesaugt wird, daß es eine Freude ist Mittendrin statt nur daheim, keine Diskussion, endlich mal.

Als er ein bißchen betrunken ist, erzählt Tastateur Frank, wie peinlich ihm doch manch Promotion-Aktivität ist, und daß doch auch die Herren Spilker und Leich inzwischen routiniert seien. Darüber hinaus: Der Spilker habe ja bis vor kurzem sogar noch 1000 Mark pro Monat von zu Hause gekriegt, da ist ja klar, daß der nächtelang in Kneipen von Zusammenhängen brabbeln konnte. Der Herr Orgel dagegen mußte vor den Deichen der Freien und Hansestadt sein Landschaftsplanerdiplom vorantreiben.

Noels Frau hat sich sexy Zeug gekauft, und falls da jemals Groupies gewesen wären, seien die nun spätestens überflüssig, steht anderntags in der Zeitung. Batsch. wieder ein Stapel Singles. Oasis ist irgendwie das Feindbild, sagt Thomas Wenzel, der, wie so häufig, Bassist und Polit-Poseur des Gefiiges ist, nebenbei Goldene Zitronen, alles klar: Das Leben ist eine Überbaustelle, irgendwie.

Beim Konzert im kleinen Club schließlich tummeln sich eigens geladene Austausch-Schüler, Gymnasiasten und Studenten, die interessante Gedanken vor allem schätzen, wenn sie die schon kennen. Engländer? Kaum, einige von MTV. Ein gutes Konzert jedoch allemal – leicht grotesk, daß die Londoner Vor-Band angesichts der german crowd „Dankeschön“ sagt und Spilker hernach „Thank you!“ ruft. Das kann ja was geben mit dem Euro.

Ein Student kennt sogar den Weg zu Noels nobler Stadtvilla. „Supernova Height“ steht da in Jugendstil-Mosaik über der Tür, und zwei Motorroller versperren die Einfahrt Das hat Jugendstil Hier ist der Pop zu Hause, in der Absteige der Sterne aber gibt es nicht mal eine Mini-Bar im Zimmer. Noel hätte denen vielleicht etwas erzählt! Frank Spilker kauft eine Flasche und nimmt sie mit ins Zimmer.

Ist der gegenwärtige, äh, Erfolg der Popmusik aus Hamburg nun ein Zufall, eine Wendung zum Besseren?

Oder ein – man lernt ja dazu – Hype? Oder gar: ein Irrtum? Muß man, ja darf man eigentlich bei ungefähr 30 000 verkauften Platten schon von Erfolgs-Zusammenhängen reden? Der Dienstag: Oasis in UK von 0 auf 1, die Sterne-LP fällt in der dritten Woche immer tiefer. In einer Frühstückskneipe begegnet man Sven Regener von Element Of Crime, der sich ganz gern lustig macht: „Machen wir uns nichts vor, da geht es um Unterhaltung, und Spilker will eigentlich auch nichts anderes als Costa Cordalis.“

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