Madame wird zubeißen

Keren Ann sieht aus wie eine von den kleinen Französinnen - doch ab und zu will sie Blut sehen

Vorsicht! Bitte lassen Sie sich von diesem Bild nicht täuschen: Keren Ann Zeidel ist keines von diesen braunäugigen Rehlein, die brav die Lieder singen, die andere ihnen zugedacht haben. Im Gegenteil: Bereits im Jahr 2000 schrieb die 33-Jährige zusammen mit Benjamin Biolay die Songs für das gefeierte Comeback des greisen französischen Chansonniers Henri Salvador. „Wenn man mit einem anderen Sänger zusammenarbeitet, ist es wichtig, dass seine Stimme einen stark berührt“, sagt Keren Ann. „Man muss sich nicht fragen: Was würde ich denken, wenn ich er wäre? Sondern: Was würde ich fühlen, wenn ich erlebt hätte, was er erlebt hat?“ Die Tochter eines jüdischen Russen und einer Holländerin mit javanesischen Wurzeln ist nicht nur hübsch, klug und talentiert – sie versteht auch eine Menge von der emotionalen Seite des Songwritings. Anfangs hielt man die sanft wirkende Chanteuse noch für einen Satelliten ihres prominenten Freundes Biolay. Die beiden ersten, französischsprachigen Alben entstanden in enger Zusammenarbeit mit Monsieur Le Pop, und auch beim dritten, englischen war Biolay noch involviert. Mit dem 2004 erschienen „Lolita“ hat sich Keren Ann endgültig als eigenständige Künstlerin etabliert. Selbst Guy Chambers – der Mann ohne den Robbie Williams nicht mehr derselbe ist – rief bei ihr an und bat um Texte für sein Isis-Projekt.

Das neue Album heißt schlicht „Keren Arm“. Auf dem Coverfoto von Jean-Baptiste Mondino sieht man die Künstlerin im Gegenlicht. Schön, selbstbewusst. Ihre Lieder sind melancholisch, atmosphärisch und manchmal geradezu jenseitig schön – Keren Ann hat alle Songs geschrieben, gesungen, diverse Instrumente gespielt und ist obendrein auch noch die Produzentin. „Meine letzte Platte war intimer, näher dran. Nun wollte ich etwas machen, das im Klang und in der Struktur leuchtender und abenteuerlicher ist. Vielleicht auch ein wenig impressionistischer und eklektischer“, sagt die Künstlerin.

Den Winter hat Frau Zeidel in Paris verbracht, an den Wochenenden ist sie oft bei ihrer Familie in Israel, und den Anfang des Sommers wird sie in den USA erleben. Man muss sich also nicht wundern, dass das neue Album in sechs verschiedenen Studios aufgenommen wurde: „Das war ein Luxus, den ich mir gegönnt habe“, sagt sie. „Ich bin nicht in diese Städte gegangen um aufzunehmen – ich war bereits dort, weil ich an anderen Projekten arbeitete.“

Wenn man Songs wie „Where No Endings End“ hört, glaubt man allerdings, sie wären in der Festung der Einsamkeit entstanden: Die verloren stolpernden Piano-Töne, die klagende Westerngitarre, dieser anschmiegsame und dabei doch so unendlich traurige Gesang. „You and I, we both run/ With an unloaded gun/ For the same piece of land/ Where no endings end.“ „Where No Endings End“ habe etwas mit ihren israelischen Wurzeln zu tun, sagt Keren Ann Zeidel, doch sie sträubt sich, darüber zu reden. Stattdessen erzählt sie begeistert von der Arbeit am Soundtrack zu einem Horrorfilm des französischen Regisseurs Pascal Laugier.

Sieht sie sich denn gern solche Filme an? „Kommt drauf an!“ Ihre Mundwinkel gehen steil nach oben. „Wenn es genug Folter, Blut und zweitklassige Handlung gibt!“ Wie gesagt: Keren Ann kann zwar genauso sinnlich hauchen wie die beliebten kleinen Französinnen. Doch welche Musik dazu spielt, das entscheidet sie ganz allein.

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