Maulsalat pikant

Eigentlich gehört Mark E. Smith, Vormann von The Fall, ins Museum. Die Überraschung: Er ist ein beschwingter Plauderer

Mark E. Smith kann eine Plaudertante sein. „Na, wie läuft’s denn so beim Rolling Stone?‘ will er dann wissen, erkundigt sich neugierig nach den letzten Interviews, die man geführt hat, und fragt nach musikalischen Vorlieben. „Ich bin nicht wirklich so ein Zyniker wie in den Songs“, verrät er und läßt sich in seinem vernuschelten Manchester-Akzent darüber aus, wie toll er Berlin findet, wie schlimm es ist, daß die Leute keine Bücher mehr lesen, und daß im englischen Fußball-Nationalteam „bloß elf faule Millionäre auf dem Platz stehen“. Einsilbig wird der 48-jährige, der weder Millionär noch faul ist und seit knapp 30 Jahren mit The Fall ein Album nach dem anderen produziert, nur wenn es ums eigene musikalische Schaffen geht.

Die Fragen zum neuen Album „Fall Heads Roll“ beantwortet er meistens nur knapp oder gar nicht. Und auch beim Thema John Peel ist er kurz angebunden. Der BBC-DJ und Pate des britischen Independent-Rock, der vor einem Jahr gestorben ist, hat über seine Lieblings-Band The Fall mal gesagt, sie sei „always different, always the same“. Doch Smith winkt ab: „Ich kann da nichts zu sagen. Ich kannte John gar nicht. Wir haben uns bloß zweimal unterhalten.“ Und das, obwohl The Fall 24 Mal so oft wie keine andere Band die legendären „Peel Sessions“ aufgenommen haben.

Rekordverdächtig verschleißt Mark E. Smith auch seine Mitspieler. Wenn er schon mit seinem Zynismus und diesen unermüdlich ratternden musikalischen Endlosschleifen, die sich auch wieder auf „Fall Heads Roll“ finden, keine Stadien füllen kann, so doch bald mit den Leuten, die mal bei The Fall ein Instrument bedient haben. „Neue Musiker bringen Ideen mit“, sagt Smith, gibt dann aber zu: „Manchmal kotzt einen einer einfach auch an. Ich kann halt nicht so gut mit Musikern.“

Das aktuelle Album wurde für Smith zum Härtetest, weil es während eines Schneesturms in New York aufgenommen wurde: ,Alle Läden hatten dicht gemacht. Wir hockten die ganze Zeit zusammen rum und konnten es gar nicht erwarten, zurück nach Manchester zu kommen.“ Nach New York sei man sowieso nur ausgewichen, „weil es in England einfach kein einziges Studio mehr gibt, in das eine ganze Band reinpaßt“, behauptet Smith.

The Fall, zu denen zur Zeit auch Smiths dritte Ehefrau Elenor gehört, haben den klaustrophobischen New-York-Trip heil überstanden. Und auf „Fall Heads Roll“ nörgelt Mark E. Smith wie in seiner besten Zeit und pflegt mit Stücken wie „Bo D“ oder „Clasp Hands“ seine Liaison mit dem Rockabilly:“Die Musiker, mit denen ich gerade spiele, wissen gar nicht, was Rockabilly ist, und gehen dadurch ganz unverkrampft heran“, freut er sich. Und weil er „immer schon ein großer Fan von The Move“ war, findet sich auf dem Album auch eine nölige Version von „I Can Hear The Grass Grow“. Zu verdanken ist das der alten deutschen „Beat-Club“-TV-Show: „Ein Freund von mir empfängt über Kabel auch deutsches Fernsehen. Da wurde eine Sendung wiederholt, in der The Move mit der Nummer aufgetreten sind. Das war echt toll.“

In die Songs des neuen Albums schleicht sich ab und zu auch Smiths Vorliebe für Spoken-Word-Kunst und eine Ahnung von Dub-Reggae ein. „Ich habe wieder die Sachen von Big Youth oder Lee Perry entdeckt“, erklärt er. Und weil sich The Fall schon 1977 monolithisch Punk- und New-Wave-Eingemeindungen widersetzten, wundert es nicht, daß Smith mit aktuellen britischen Musikszene dagegen gar nichts anfangen kann: „Ich finde die Bands alle weder gut noch schlecht. Ich ignoriere sie nur.“ Dann ist aber genug geplaudert.

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