Milde Klassiker des Kunstliedes

Die Karriere von Element of Cnme nimmt langsam imposante Züge an. Eigentlich kann man die Band nur vergleichen mit den großen Durchhaltern der jüngeren Geschichte: Helmut Kohl, Lothar Matthäus, den Rolling Stones. Mit ruhiger, gleichmäßiger Stetigkeit bringen Sven Regener und Freunde Album um Album heraus – und jedesmal gewinnen auch alte Hörer etwas hinzu: eine neue Melodie, eine neue Metapher, einen neuer Gedanke. Später dann erinnert man sich an Details. Von JPsycho“, dem neuen Album, bleibt vor allem das Bild von dem „langen Haar und dem Abdruck im Kissen“ zurück („Alles was blieb“). Haarfein beobachtet, schön gesagt: Regener hat einen mikroskopischen Blick auf die Dinge. In den besten Momenten erinnern die Texte an die detailfetischistische Kunst des amerikanischen Dichters Nicholson Baker; wie er scheut Regener die großen Worte und widmet sich umso mehr den kleinen (mitunter winzigen!) Dingen.

1986 erschien das erste Album von Element Of Crime „Basically Sad“. Die Band kam aus einer Enklave namens Westberlin, und so klang sie auch: ein bißchen klaustrophobisch, paranoid, etwas zu laut lärmend. Erst nach und nach wich der Velvet Underground-Donner aus der Musik, man wurde sanfter. Berlin verwandelte sich in der Musik und war auf einmal Paris: Regener streifte als Flaneur herum und fand schöne Sachen. 1991 kam „Damals hinterm Mond“, die Hinwendung zum deutschen Kunstlied. Noch heute erstaunlich, wie natürlich das klang. Element Of Crime ernteten nicht nur offene Münder bei den sogenannten Kritikern – sie bahnten sich auch den Weg in die Herzen all der Mädchen und Jungs, die diese Texte allein auf dem Zimmer hörten und verstanden. „Es ist unglaublich, welche emotionale Bindung manche Leute an uns haben“, wundert sich Regenet „Wir bemerken das vor allem auflbur, wenn uns aus dem Saal das Gefühl in ungeheurer Intensität entgegenströmt“

In den letzten Jahren schien der Erneuerungsdrang verschwunden zu sein:

^4n einem Sonntag im April“ und JDie schönen Rosen „hatten im einzelnen Bezauberndes zu bieten, hinkten aber in Sound und Song dem grandiosen Album“ff£«JSes Pa/«er“hinterher. Das war 1993 erschienen – eine so gute Platte, daß sich die Band lange Zeit nicht davon erholt hat. Frischer Wind und neue Nahrung mußten also her. Für die Produktion von B Py»cfco“traten Element Of Crime eine Pilgerreise an: Sie machten sich auf nach Weilerswist in der EifeL Eine Suche nach dem Heiligen Gral der deutschen Popmusik – dort ist das berühmte Can-Studio. Zuletzt hatten Whirlpool Productons hier die Hilfe höherer Mächte angefordert, nun kamen die Chansoniers aus Berlin. „Wir sind nie lange geblieben“, sagt Schlagzeuger Richard Pappik. „Manchmal waren wir nur einige Tage für einen einzigen Song da.“ Aber von der Aura des Ortes haben sie einiges verspürt: „Da stehen ein paar ganz alte Instrumente herum, das ist wie ein Museum“, sagt Pappik. „Man kann sich vollkommen zurückziehen und konzentriert arbeiten“, meint Regener. Klingt nach freiwilligem Klosteraufenthalt.

Doch die Luftveränderung tat der Band gut In Weilerswist gelang ihr ein Schritt nach vorn – womöglich der am deutlichsten hörbare seit „Damals hinterm Mond“. Allerdings ist das in gewisser Weise auch ein Schritt zurück: Bereits beim ersten Stück „Ich war nicht dabei“ meint man für Momente, versehentlich eine Velvet-Underground-Platte aufgelegt zu haben. „Vieles erinnert wieder mehr an unsere frühen Platten“, bestätigt Regenet „Wir schließen wieder an, Try To Be Mensch‘ an“. Elemet Of Crime waren lange genug zusammen, um einen großen kreativen Zyklus zu durchlaufen. Wie haben sie das geschafft, bis auf den Weggang des Bassisten Paul Lukas so stabil zu bleiben? Dazu hat Pappik eine einfache, jedoch einleuchtende Antwort: „Es hat nie aufgehört, uns Spaß zu machen.“ Lukas hat ja mittlerweile als Romanautor („IHN“) einigen Erfolg gehabt doch weder Richard noch Sven haben das Buch gelesen: „Wir haben Angst, darin vorzukommen.“ Schon blöd, wenn alle deine Freunde Kunst machen – man muß immer damit rechnen, irgendwo vorzukommen. Und was kommt denn in „Psycho “ vor, Sven? „Tja“, zögert er, „der Titel ist eigentlich ganz simpel so zu verstehen, daß es um extreme psychische Zustände geht.“ Wobei freilich die Single „Michaela sagt“ eher ein Durchschnittswesen feiert: ein gutmütiges Mädchen, das einfach Spaß haben will, sonst nichts – „die ideelle Gesamt-Raverin“, wie Regener sie nennt Der habe man einfach mal ein Denkmal setzen wollen: „Denn was wäre das Leben ohne all die Michaelas dieser Welt“? Die „extremen Zustände“ sind denn auch eher in „Ferien von dir“ zu finden, einer Etüde über Sehnsucht Element Of Crime sind mittlerweile, ziemlich autark – und sie könnten sich etwas Arroganz gegenüber anderen Bands durchaus erlauben. Tun sie aber nicht. Selbst Rammstein, die „umstrittenste“ aller deutschen Bands, findet Regener im Grunde okay, „als Pop-Phänomen“. Soviel Milde und Souveränität steht ihnen gut Und vielleicht schwingt da schon etwas Bewußtsein vom eigenen Klassikerstatus mit.

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