Mit „Nordisch By Nature“ hatten FETTES BROT früh einen Hit. Ihr neues Album wird zeigen, ob sie in der 1. Liga spielen werden

Mach Schenefeld fährt man am besten quer durch Hamburg-Altona. Und dann immer geradeaus. Einmal im Jahr steigt im hiesigen Jugend- und Kulturzentrum ein Hip-Hop-Konzert erster Kajüte. Fettes Brot haben seit vier Jahren die Schirmherrschaft dafür übernommen. So locken sie Reimmeister wie Hausmarke, Smudo, Stieber Twins oder Dendemann in die Diaspora der Hansestadt.

Im Garten zwischen Nadelbäumen, Reihenhäusern und Einkaufszentrum thront an diesem Sonntag die Bühne. Sieben Stunden HipHop, 2000 junge Menschen, Regen und ein Heimspiel für Fettes Brot König Boris ist hier geboren, die Nachbarorte von Schiffineister und Doktor Renz liegen in Bonanzarad-Entfernung. Sogar ihre Eltern sind gekommen, sitzen stolz am hinteren Bühnenrand. Eine Party, ein Familienfest heute. Jemand noch ein Kotelett?

Die drei Brote genießen diese Stimmung. Sie beherrschen die Bühne in Lausbubenmanier, erzählen launige Geschichten, reißen flache Witze, hauen sich kleine Fiesheiten um die Ohren, um schließlich – eins, zwo, Schenefeld ist im Haus – gemeinsam das Haus zu rocken mit ihrer charmanten Art, Reime zu droppen.

„Fettes Brot läßt grüßen“: ein neues Album nach zwei Jahren Schaffenspause. Fettes Brot am Scheideweg, glauben viele Kritiken Es ist viel passiert in HipHop-Deutschland, nicht zuletzt, weil die Brote den Weg mitgeebnet haben für eine neue Generation von Reimanarchisten, die ebenso selbstbewußt wie professionell die Pioniere deutscher Rapkultur mit ihren Ghetto-Reim-Kopien vergessen machen. Nur wenige der neuen Poeten schaffen es aber, die eigenen Gesetze der HipHop-Community und des Showbusiness unter einen Hut zu kriegen. Vielleicht sind Fettes Brot neben den Fanta 4 und Fünf Sterne deluxe die einzigen, denen es nicht peinlich ist, auf der Straße erkannt zu werden und im Supermarkt Autogramme schreiben zu müssen. „Gute Bands fangen eben mit F an“, sagen die Brote in solchen Fällen gewöhnlich.

Mit „Nordisch By Nature“ hatten sie früh in ihrer Karriere einen Hit, den sie zum 31. Dezember 1995 selbst vom Markt zogen. „Wir wollten verhindern, daß es irgendwann heißt: Fettes Brot, das sind doch die, die plattdeutsch rappen“, so ihr Manager. „Jein“, der Nachfolger, gelangte in die Top 10 der Verkaufscharts, ebenso ihr zweites Album „Außen Top-Hits – Innen Geschmack“.

Dann ihre Ernüchterung: „Sekt oder Selters“, ein gutes Stück als erstes Lebenszeichen, sieht nur kurz die Hitparaden. Das sitzt in den Knochen. Was erwarten die Fans von uns, was erwarten wir von unserer Musik? Was dürfen wir neues wagen, welche Erwartungen müssen wir erfüllen? Fragen, die man sich stellt, wenn die Arbeit an einem Album so beginnt.

„Das war vielleicht ganz gut“, sind sich die Brote einig. „Wir waren in dieser Phase unheimlich unkonzentriert, wollten den Super-Popsong schreiben, verhedderten uns ständig in Kompromissen. Am Ende weißt du gar nicht mehr, was du eigentlich willst“ Selbstzweifel schärfen bekanntermaßen den Blick für das Wesentliche und für bleibende Werte. Der Druck jedoch, nach der Pause nun beweisen zu müssen, ob man zu den bigplayers zählt oder doch nur die lustige Band für mitsingfreudige Teenager ist, bleibt immens. „Zum ersten Mal haben wir gemeinsam Texte geschrieben, uns vier Wochen eingemietet in das Haus eines Rentnerehepaares, das den Winter in Spanien verbringt“, erzählt Björn alias Schiffmeister. „Wir haben zu dritt an Songs gearbeitet, sehr zielgerichtet.“

Das spürt man auf „Fettes Brot läßt grüßen“. Ein sehr entspannter Flow verbindet die Stücke des Albums. Souverän spielen Fettes Brot mit dem Genre HipHop, pfeffern sich gegenseitig Reime an den Kopf, deren Assoziationen immer an lustige, viel zu feuchte Abende mit guten Kumpels erinnern. Man spürt ihren Spaß daran, alles in Songs zu verwandeln, was das eigene Gemüt und den eigenen Geist bewegt Und so spannt sich das Spektrum von Partysongs („Können diese Augen lügen?“) über krasse Themen („Krankenhausreif“) zur Hommage an die Stars der Jugend („Spiderman und ich“). Unter dem Titel „Nicolette Krebitz wartet“ haben sie mit Tocotronic sogar eine Bananarama-Coverversion aufgenommen: „Eine kleine Ode an eine junge und selbstbewußte Frau, die auch noch enorm gut aussieht..“ Für ihre neue Single „Viele Wege führen nach Rom“ singen die Brote im Stil bester Lagerfeuer-Romantik. Und ein Bossa Nova-Groove dazu ist auch nicht das, was man wirklich erwartet.

Der Kreis schließt sich: Wie werden die Fans reagieren? Eine Richtungsentscheidung für den deutschen HipHop in der dritten Generation. Fettes Brot – vielleicht im Wandel wie die Beastie Boys einst oder die Fantastischen Vier, die mit ihrer Popularität eine eigene Nische öffnen konnten, in der sie unangreifbar sind, weil ihre Persönlichkeiten im Zentrum stehen. Fettes Brot sollten keine Zweifel an dem eigenen Schaffen aufkommen lassen, falls ihre Fans plötzlich beschließen sollten, vorübergehend erwachsen zu werden. Gewöhnlich legt sich diese Phase schnell wieder…

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