Taylor Swift & Co.: Wer profitiert von den Streaming-Milliarden?

Die Musikindustrie legt erstmals Zahlen vor. An wen wie viel – das bleibt allerdings ihr Geheimnis.

Alles im Plus – der deutschen Musikindustrie geht es gut. 2,21 Milliarden Euro haben Labels in Deutschland im vergangenen Jahr eingenommen, ein Umsatz-Plus von 6,3 Prozent. Und was haben Künstler und Künstlerinnen davon? Sie bekommen einen stetig wachsenden Teil davon ab – das will zumindest eine neue Studie belegen.

Für die vom Bundesverband der Musikindustrie in Auftrag gegebene Untersuchung legten die finanzstärksten deutschen Musiklabels ihre Investions-, Lizenz- und Ausschüttungszahlen vor – der größte Batzen fällt natürlich auf die großen Drei, also Universal, Warner und Sony Music. Aus deren Daten errechneten die Analysten von Oxford Economics ein Feuerwerk schöner Zahlen: 33 Prozent der Gesamteinnahmen werden von den Labels reinvestiert, 43 Prozent werden über Zahlungen an die Künstler:innen weitergegeben, die um 132 Prozent in den vergangenen zehn Jahren gestiegen seien.

„Jedes Jahr“, sagt Florian Drücke, Chef des Bundesverbandes Musikindustrie, „investieren die Labels ein Drittel ihrer Einnahmen in die Entwicklung und Vermarktung neuer Talente und neuer Musik.“

Wie das Geld verteilt wird, ist unklar

Diese nun erstmals vom Bundesverband veröffentlichten Zahlen sind auch eine Art Gegenrede auf die lauter werdende Kritik am wenig transparenten Verteilungsmodell der Labels, also das System, nachdem die Streaming-Einnahmen an die einzelnen Künstler:innen ausgezahlt werden. Prominentestes Gesicht dieser Systemkritik ist Herbert Grönemeyer.

Nur zwei Wochen bevor nun die Musikindustrie-Zahlen vorgestellt wurden, hatte die noch relativ junge und von rund 50 Musiker:innen gegründete „Akademie für Populäre Musik“ zur einer Panel-Diskussion eingeladen, an der neben Grönemeyer auch Spotify-Europachef Michael Krause, der grüne EU-Abgeordnete Niklas Nienass und Songwriterin Balbina teilnahmen. Es ging um ebenjene Verteilungsgerechtigkeit, um die undurchsichtigen Algorithmen und mangelhafte Transparenz bei den Streaming-Erlösen, die an die Labels fließen und von ihnen dann an die Künstler:innen verteilt werden. Und es ging heiß her.

Denn die Gewinne der großen Labels steigen seit einigen Jahren wieder – vor allem dank zunehmender Einnahmen durch Streaming. Zunächst hatte die Digitalisierung für massiv sinkende Einnahmen wegen des schrumpfenden Tonträger-Marktes gesorgt. Erst seit 2018 geht es in großen Schritten aufwärts. Doch den gern zitierten Mikrobeträgen, die vor allem unbekanntere Acts durch Streaming bekommen, stehen die 9 Milliarden Euro gegenüber, die alleine Marktführer Spotify im Jahr einnimmt. Spotify wiederum hat keinen Einfluss darauf, wie die Gewinne verteilt werden, das Geld geht an die Labels. Und wie die verteilen, so der Vorwurf kurzgefasst, sei wenig transparent.

Florian Drücke, ein allgemein freundlicher und geduldiger Mensch, rollt höchstens innerlich mit den Augen, wenn er mit diesem Vorwurf konfrontiert wird. Und hält seine neue Studie hoch. „Versachlichung, Transparenz und Entanekdotisierung“ wünsche er sich in der aufgeheizten Debatte. „Aber klar, dass mit den steigenden Einnahmen die Begehrlichkeiten wachsen, und wir darüber diskutieren müssen.“

Streaming sorgt für Wachstum

Die Musikindustrie will beweisen, dass die Streaming-Millionen nicht einfach auf ihren Konten landen, sondern dass Künstler und Künstlerinnen heute deutlich mehr von den Einnahmen profitieren als noch vor zehn Jahren – und sogar überproportional viel: um 17 Prozent sind die Gesamteinnahmen der Label seit 2010 gestiegen, die Zahlungen an Künstlerinnen hätten sich im gleichen Zeitraum aber mehr als verdoppelt, die Vorschüsse sogar verdreifacht.

„Das Streaming-Geschäft“, sagt Drücke, „sorgt maßgeblich für das Wachstum der Branche. Und davon profitieren nicht nur die Labels, sondern eben auch die Künstlerinnen.“

Was die Zahlen und Prozente allerdings nicht verraten ist, wer nun eigentlich wie sehr von den Streaming-Millionen profitiert: Bekommt Taylor Swift 90 Prozent und 14743 kleinere Acts den Rest? Werden also die Großen immer reicher und die Kleinen kriegen die Cents in den Hut? Wie kann eine Verteilungsgerechtigkeit zwischen einem 70-minütigem Album gegen einen 2-minütigen Track aussehen, der 14 Milliarden Mal angeklickt wurde?

Das nämlich bleiben Fragen der Kritiker. Und sie beantwortet auch die erste umfassende Untersuchung zu Investitionen und Zahlungen der Musikindustrie nicht.

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