Mystisch verbandelt

Der wichtigste Unterschied zwischen den Fantastischen Vier und den Beatles? Die Fantas haben viel mehr soziales Talent, meint Smudo.

Das Floskelwort „Institution“ wird oft gebraucht, wenn es um die Fantastischen Vier geht. Ob das ein Kompliment ist oder nicht – nur wenige kommen so weit. Wenn eine Band zur Institution werden will, muss sie lange zusammen bleiben, konstant sein, mit dem Publikum wachsen. Anlässlich des achten Studioalbums „Für Dich immer noch Fanta Sie“ erklärte Smudo, 42, uns die spezielle Quartettdynamik der erfolgreichsten Rapcrew Deutschlands.

Smudo, die Fantastischen Vier sind seit über 20 Jahren unverändert zusammen – wie haben Sie das geschafft?

Mitgespielt hat, dass wir uns tatsächlich gut miteinander verstehen. Und dass wir uns damals als kleine Unbekannte angefreundet und die Musik immer als gemeinsame, stolze Aufgabe begriffen haben. Es gibt viele Erfahrungen, die ich nur mit den drei anderen teile: wahlweise mit Tomaten und Blumen beworfen zu werden, zum ersten Mal verklagt zu werden, zum ersten Mal richtig Asche zu machen.

Dabei sind Sie ja Mitte der 90er-Jahre vom gemeinsamen Wohnort Stuttgart in unterschiedliche Städte gezogen.

Auch das war ein wichtiger Faktor. Wenn wir alle in Stuttgart geblieben wären, hätte sich das Ganze bald ausgereizt. Fast jeder, den wir auf der Straße trafen, hatte schon mal mindestens ein Kabel für uns getragen. Da konnten wir keine Individuen sein.

Musikhistorisch gesehen sind Viererkonstellation schwierig. Wieso ist sie bei Ihnen so stabil?

Keine Ahnung. Die Vier ist eine mystische Zahl, aber demokratisch gesehen ein Problem. Es gibt viele Diskussionen, immer steht es Zwei gegen Zwei. Dann muss immer noch einer einen Vortrag halten, um einen Dritten auf seine Seite zu ziehen.

Wie laufen solche Kampfabstimmungen ab?

Als Toyota uns vor fünf Jahren anbot, Werbespots für den neuen Kleinwagen Aygo zu machen, war ich strikt dagegen. Ich fand, dass das Produkt nichts mit uns zu tun hatte und dass Autofirmen der Teufel sind! (lacht) Die Kollegen haben dann erklärt, dass sie einfach meine Unterstützung brauchen: „Wir kriegen das hin! Aber nur mit deinen Ideen!“ Wenn sich vier Leute entscheiden, etwas gemeinsam zu tun, dann ist das eine tragfähige Basis – auch wenn einer ein bisschen dagegen ist.

War die Gruppe je in Gefahr, sich zu trennen?

Immer mal wieder. Gerade in der Zeit um 1999, als wir nach und nach aus Stuttgart wegzogen. Da waren die Bande nicht so eng und man hat sich schon gefragt, ob es je wieder eine gemeinsame Platte geben würde. Aber das waren immer nur kurze Phasen. In 20 Jahren Bandkarriere ist nur einmal ein Stuhl geflogen.

Wer hat den geworfen?

Sag ich nicht. Ich war auch gar nicht im Raum. Und er wurde nicht nach einer Person geworfen, sondern an die Wand. Kann jedem mal passieren.

Sind die Fantas ansonsten konfliktscheu und harmoniebedürftig?

Nein, das klingt zu negativ. Ich würde es so sagen: Man muss zum richtigen Zeitpunkt tolerant sein. Da hat die Paartherapie in den letzten Jahren wertvolle Erkenntnisse gebracht: Der Schlüssel für eine glückliche Partnerschaft ist, nicht immer alles auszudiskutieren. Weil manche Unterschiedlichkeiten einfach so sind, wie sie sind.

Die erste Pop-Viererbande mit klarer Rollenverteilung waren ja die Beatles …

Aber wir sind wirklich so. Thomas, der Hippie vom Hof. Ich, die zynische Laberbacke. Michi, der Club-Man. Andi, der wortkarge Computerenthusiast. Das ist nicht gescriptet. Und trotzdem haben wir alle Krisen gemeistert und sind erfolgreich geblieben. Was das Soziale angeht, sind wir größer als die Beatles – wenn man mal schaut, wie kurz die zusammenwaren …

Nehmen wir an, einer würde sagen: „Ich steige aus, hier ist mein Ersatzmann.“ Wäre das denkbar?

Nein, glaube ich nicht. In dieser Kombination aus intimer Gemeinschaft und kreativer Arbeitsgruppe ist keiner so einfach ersetzbar. Kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass ein anderer als Andi, Michi oder Thomas neben mir auf der Bühne steht.

Könnte es je die Fantastischen Drei geben?

Nein. Wir können nur zu viert fantastisch sein. joachim Hentschel

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