Der Schlawiner: Zum Tod von Burt Reynolds

Schnauzer, Cowboyhut und das breiteste Grinsen: In den späten 70er-und frühen 80er-Jahren war Burt Reynolds mit Straßenradaukomödien wie „Ein ausgekochtes Schlitzohr“ und „Auf dem Highway ist die Hölle los“ einer der größten Filmstars der Welt. In „Boogie Nights“ triumphierte er 1997 in der Rolle eines stoischen Porno-Impresarios. Ein Nachruf auf den charmantesten Hallodri des Kinos.

Wer in den späten 70er- und 80er-Jahren jung war und ins Kino ging, der wird sich immer an die Filme (oder jedenfalls an die Filmplakate) erinnern, in denen Burt Reynolds zu sehen war. Die Roadmovie-Radaukomödien „Smokey and the Bandit“ und „Cannonball Run“ haben noch ingeniösere deutsche Titel: „Ein ausgekochtes Schlitzohr“ und „Auf dem Highway ist die Hölle los“. Reynolds war der arschcoole Renegat der Landstraßen und Autobahnen, eine Mischung aus Cowboy, Tagedieb und Kleinganove, der Inbegriff des Schnauzbarts und des losen Spruchs, der Lässigkeit und des Muts, der Respektlosigkeit und Freiheitsliebe. Er war unwiderstehlich.

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In „Smokey and the Bandit“ schmuggelt er mit einem Kumpel (Männer sind immer Kumpel oder Feinde in Reynolds-Filmen) 400 Kisten Alkohol durch die Südstaaten, verfolgt von dem ekligen Sheriff Buford T. Justice und begleitet von Sally Field als Carrie, der Frau, mit der man Pferde stehlen kann und die auf der Flucht vor Sheriff Bufords debilem Sohn ist, den sie heiraten sollte. Schon als sie im Brautkleid in Bandits Sportwagen springt, die Stöckelschuhe auszieht und die nackten Füße auf die Konsole legt, weiß man, dass diese beiden eine Fahrgemeinschaft bleiben werden: „Kannst du denn fahren?“, fragt Field. „Manchmal“, sagt Reynolds. Und dann gibt er Gummi. An einer Raststätte verabschieden sich voneinander, sie stehen einander auf ein paar Meter gegenüber, man sieht sein Gesicht, und dann sieht man ihr Gesicht, und Bandit sagt: „Pass auf dich auf, Frosch.“ Hal Needhams Film ist eine Fernfahrerklamotte – aber es ist auch der romantischste Film der Welt: Sie ist Tänzerin, und er ist gar nichts, und sie haben eine Vergangenheit hinter sich, die sie vergessen wollen, und nur die Straßen von Georgia und Arkansas vor sich, und jetzt ist Buford T. Justice hinter ihnen her, und der ist zwar fies und blöd, aber er ist das Gesetz. Um außerhalb des Gesetzes zu leben, muss man ehrlich sein.

Szene aus „Ein augekochtes Schlitzohr“ (1977)
Südstaatenlook: Szene aus „Ein ausgekochtes Schlitzohr“ (1977)

Burt Reynolds war zwischen 1978 und 1982 der größte Kassenmagnet des Kinos, er drehte acht Filme in der Zeit, und wenn einer nicht sehr erfolgreich war (es waren einige), dann war es auch egal. Es waren Reynoldsfilme, in denen – wie in „Cannonball Run“ – auch ein paar andere Stars spielten. Von „Smokey And The Bandit“ gibt es zwei Fortsetzungen, von „Cannonball“ einen weiteren Film. 1984 spielte Reynolds neben Clint Eastwood, dem anderen großen Maskulinen, in „City Heat – Der Bulle und der Schnüffler“, Eastwood bekam fünf Millionen, Reynolds vier Millionen Dollar – aber der Film war eine Enttäuschung, denn natürlich kann es nicht zwei Platzhirsche geben, die Einzelgänger sind und keine Freunde haben (nur Kumpel und Frauen) und jede Szene beherrschen.

Burt Reynolds mit seinem frisch gewonnenen Emmy im Jahr 1991

Der Amerikaner schlechthin

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Burt Reynolds, am 11. Februar 1936 in der Kleinstadt Lansing in Michigan geboren, stammte von Iren und Italienern ab, eine Großmutter war Cherokee-Indianern. Er war also der Amerikaner schlechthin. Burts Vater Burton Milo war ausgerechnet Polizeichef in einem Ort, der ausgerechnet Riviera Beach heißt. Der Sohn erhielt ein Football-Stipendium und ging an die Universität von Florida, wo er zwar Football, aber auch Theater spielte, und 1956 den „Drama Award“ des Staates gewann. Er zog nach New York, arbeitete als Stuntman beim Fernsehen, spielte kleine Rollen am Broadway und von 1959 an in Fernsehserien: „Riverboat“, „Alfred Hitchcock Presents“, „Gunsmoke“, „Perry Mason“. 1961 hatte er seinen ersten Filmauftritt, dann spielte er in einigen B-Western, am erinnerungswürdigsten 1969 in „100 Rifles“ und „Sam Whiskey“. 1972 verpflichtete ihn John Boorman für „Deliverance“, die verhängnisvolle Flussfahrt eines Männerbundes in den tiefsten Hinterwald der USA, ein Film über Demütigung, Sadismus und die Bestie Mensch. Reynolds war jetzt bekannt – er hatte Rollen in Peter Bogdanovichs „At Long Last Love“ (1975) und „Nickelodeon“ sowie in Mel Brooks‘ „Silent Movie“ (beide 1976), aber er war ein Nebendarsteller.

Zivilisationsmüder Großstädter im Hinterwald: Burt Reynolds in „Deliverance“ (1972)

Nach „Smokey And The Bandit“ und Michael Ritchies „Semi-Tough“ war er 1977 der Hauptdarsteller. Aber er blieb es nicht. In den späten 80er-Jahren verläpperte seine Karriere in uninspirierten Genre-Filmen wie „Rent-A-Cop“ (1987). Von 1991 agierte er in der Komödienserie „Evening Shade“ („Daddy schafft uns alle“). 1996 spielte Reynolds neben Demi Moore in Andrew Bergmans „Striptease“, der sechs Goldene Himbeeren erntete. Ein Jahr später triumphierte er als Porno-Produzent in „Boogie Nights“ von Paul Thomas Anderson und wurde für den Nebendarsteller-Oscar nominiert, den er nicht gewann – dafür bekam er den Globen Globe. Mit dem Film und seiner Rolle war er dennoch nicht glücklich. Später erhielt Reynolds den „Stuntman Award“, und immer mal wieder wurde er maliziös für die Goldene Himbeere nominiert.

Von Links nach Rechts: Jack Wallace, Rickey Jay Nicole, Ari Parker, Burt Reynolds, William H. Macy, Mark Wahlberg, Julianne Moore, John C. Reilly and Phillip Seymour Hoffman am Set von „Boogie Nights „, circa 1997.

Der Hallodri, den er so bezwingend spielte, war er möglicherweise wirklich: Liebschaften mit Sally Field, Chris Evert und Dinah Shore, die Scheidung von seiner zweiten Frau Loni Anderson und einige Insolvenzen beschäftigten die Klatschpresse. In den letzten Jahren spielte er mit stoischer Würde mittelgroße Rollen in kleinen Filmen, dann doch nicht entdeckt von nachgeborenen Filmemachern: der unbeugsame Schlawiner, der „Bye-bye, baby!“ ruft und aufs Gaspedal tritt – der nächsten Kurve, dem nächsten Polizeiauto, das quer auf der Straße steht, und einem ungewissen Abenteuer entgegen.

Am 6. September starb Burt Reynolds im Alter von 82 Jahren in Florida.     

SCOTT FLYNN AFP/Getty Images
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