Nachruf auf Kenny Rogers: Gewährsmann der Gefühligkeit

Sie machen sie nicht mehr wie früher: Zum Tod des amerikanischen Sängers Kenny Rogers

Als er 1977 mit „Lucille“ weltberühmt wurde, hatte Kenny Rogers schon zwei Karrieren hinter sich. Nun, beinahe 40 Jahre alt, war er die bärtige amerikanische Vaterfigur mit der Schmeichelstimme, ein Pionier und Abenteurer, der domestiziert war und das Hohelied der Liebe sang: Es war vielleicht Kitsch – aber auch unwiderstehlich.

1938 als Kenneth Rogers in Houston, Texas geboren, sang er in einer Highschool-Band und veröffentlichte 1957 seine erste Single, die Rock‘n’Roll-Nummer „That Crazy Feeling“. Er nannte sich dann Kenny Rogers, aber als weitere Singles enttäuschten, lernte er, jawohl: Kontabass und schloss sich dem Jazz-Trio von Bobby Doyle an. In den frühen 60er-Jahren trat er mit der Folk-Gruppe New Christy Minstrels auf, die Hootenanny-Songs sangen. Auch Kim Carnes gehörte den Minstrels an, mit der Rogers dann 1967 The First Edition gründete, deren launiger, burlesker Hippie-Country-Pop in den USA mäßig erfolgreich war – „Just Dropped In (To See What Condition My Conditon Was)“ ist das denkwürdigste Stück der Band, die bald Kenny Rogers & First Edition hieß.

Kenny Rogers, „The First Edition“. November 1967 in New York

1976 unterschrieb Rogers, ein gewiefter Geschäftsmann, bei Capitol Nashville einen Vertrag für Solo-Alben, die Jerry Butler produzierte. Butler imitierte geschickt den Countrypolitan-Sound, den Billy Sherrill für Tammy Wynette, George Jones und Charlie Rich entworfen hatte – schon das erste Album, „Love Lifted Me“, enthielt „Lucille“. Auf der Platte „Daytime Friends“ (1977) ist Rogers‘ Version des Songs „Desperado“ von den Eagles; deren Sänger und Songschreiber Don Henley, der ebenfalls aus Houston stammt, hatte Rogers in den späten 60er-Jahren bei den ersten Versuchen im Musikgeschäft unterstützt. Die Platte „The Gambler“ (1979) war so enorm erfolgreich, dass eine Miniserie fürs Fernsehen um die Figur gedreht wurde – das Territorium von Kris Kristofferson, dem Rogers auch physiognomisch ähnelte.

Nun begannen Rogers‘ Superstar-Jahre, in denen er sich mit fachkundiger Hilfe vom geschmeidigen Country-Troubadour zum soignierten Minnesänger wandelte: Für das Album „Gideon“ schrieb er Songs mit Kim Carnes und sang ein Duett mit ihr (sie wurde ihrerseits mit „Bette Davis Eyes“ berühmt); „Share Your Love“ (1981) produzierte Lionel Richie, „Eyes That See In The Dark“ (1983) richtete Barry Gibb ein, „The Heart Of The Matter“ (1985) produzierte George Martin. „Islands In The Stream“, das Duett mit Dolly Parton, war 1983 so erfolgreich, dass Rogers eine Duett-Platte mit Kim Carnes, Sheena Easton und Dottie West aufnahm. An „They Don’t Make Them Like They Used To“ (1986) arbeiteten die großen Songschreiber Carole Bayer Sager und Burt Bacharach.

Kenny Rogers 2017 in Atlantic City, New Jersey. (Photo by Donald Kravitz/Getty Images)

Während Kenny Rogers‘ Strahlkraft andernorts nachließ, blieb er in den USA mit formelhaften Platten wie „Back Home Again“, „She Rides Wild Horses“, „There You Go Again“ und „Back To The Well“ erfolgreich. Im Jahr 2011 brachte er eine seiner letzten Platten heraus, „The Love Of God“. Die allerletzte erschien 2013: „You Can’t Make Old Friends“. Im Herbst 2017 gab Rogers in Nashville sein Abschiedskonzert, bei dem Dolly Parton, Lionel Richie und Kris Kristofferson auftraten.

Gestern starb Kenny Rogers, der treue Gewährsmann der Gefühligkeit, in Sandy Springs, Georgia.

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