Nemo

Laut Wikipedia war das Haustier des Jahres der „Haus- und Hofhund“, der Fisch des Jahres die Barbe. So ein Unsinn! Es war eindeutig ein kleiner Clownfisch, der 2003 beherrschte. Es konnte keine große Überraschung sein, dass der fünfte große Pixar-Fibn – nach zwei „Toy Stories“ und der „Monster AG“ – wieder ein Blockbuster war, aber „Findet Nemo“ von Andrew Stanton drang dann doch in Galaxien vor, die kein Trickfilm zuvor je gesehen hatte. „Nemo“ wurde zwar über Walt Disney vertrieben, war aber längst kein Kinderkram mehr – und das erwies sich als der entscheidende Unterschied. Auf einmal drängten nicht die Lütten ihre Eltern ins Kino, sondern Erwachsene suchten verzweifelt nach Patenkindern oder ähnlichen Unverdächtigen, die sie mitnehmen würden.

Ein bisschen peinlich war es ja doch. Später bekam „Nemo“ zwar einen Oscar als „bester animierter Spielfilm“, aber erst einmal meinte man, sich rechtfertigen zu müssen: Warum mit 12+x noch in einen Trickfilm gehen?

Weil man sich so viel Niedlichkeit, gepaart mit Witz und Finesse, nicht entziehen konnte. Die Geschichte vom Clownfisch, der im Pazifik bei Australien seinem Vater davonschwimmt, schließlich in einem Aquarium landet und gerettet werden muss, rührte auch deshalb so an, weil jede kleine Neben-„Rolle“ liebevoll gestaltet worden war, ob die nervigen Möwen oder die vegetarischen Haie. Diese Detailarbeit dauerte, der Starttermin musste deshalb um Monate verschoben werden. „Findet Nemo“ kostete schließlich 94 Millionen Dollar, ein absurder Betrag für einen Trickfilm – der um das Zehnfache wieder eingespielt wurde. Die DVD verkaufte sich besser als jedes Sushi, und die Nachfrage nach Clownfischen war 2003 so groß, dass der Tierschutzbund vor der komplizierten Haltung der fragilen Kreaturen warnen musste. Auch musste klargestellt werden, dass man andere Nemos nicht heldenhaft retten kann, indem man sie in den Ausguss schüttet – die wenigsten Abwasserkanäle landen direkt im Meer, wie das in Sydney der Fall ist, sondern eher in einer Wiederaufbereitungsanlage, die kleine Fische flugs schreddert. Dass Trickfilme realistisch sind, hat schließlich nie jemand behauptet. Sie sahen jetzt nur unverkitschter und moderner aus.

Der generationsübergreifende Trickfilm war nach „Shrek“ und „Findet Nemo“ endgültig etabliert, der „All Age“-Boom galt fürs Kino jetzt genauso wie für die Literatur. Der Oger geht demnächst in Runde vier und fünf, auch bei „Ice Age“ ist kein Ende in Sicht. Und die Erfinder bei Pixar und Dreamworks wurden immer mutiger. Was auf einmal alles möglich war, jenseits von Basil und Bambi! Da kam mit „Ratatouille“ eine Gourmet-Ratte daher, die mit ihrem feinen Geschmackssinn ein Restaurant rettet – unter anderem vor einem fiesen Gastrokritiker. Kein Kind wird solche Anspielungen auf französische Kochkunst und Sterne-Kultur verstehen. Aber heutzutage sagt ja sogar schon ein eher stumpfes Gemüt wie Garfield im Film plötzlich: „Ich liebe den Geruch von Lasagne am Morgen“ – und nur Kino-Fexe erkennen die Anspielung auf Napalm, und „Apokalypse Now“. Auch werden die wenigsten Knirpse nachvollziehen können, wie schick das Objekt der Begierde von Müllroboter „Wall-E“ (den ebenfalls Andrew Stanton drehte) aussieht – es sei denn, sie haben schon Apple-Produkte im Kinderzimmer stehen.

Relativ subtile Anspielungen für die Großen, putziger Spaß für die Kleinen: Wenn die Gratwanderung zwischen Kinderspaß und Erwachsenenunterhaltung funktioniert, ist das größtmögliche Zielpublikum garantiert. Wenn nicht, kommt Stuss wie „Lissi und der wilde Kaiser“ heraus.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates