Neues aus Nashville: Lambchop liefern schläfrig-schöne Country-Pretiosen

Man muß kein Exot sein, um in Nashville als Außenseiter zu gelten. In einer Stadt, die den austauschbaren Gala-Cowboy und das Songwriting am Fließband zum Nonplusultra erkoren hat, muß Kurt Wagner tatsächlich wie ein „Freak“ (Wagner) wirken. Erst recht, wenn er sich mit einem zwölfköpfigen Freundes-Kollektiv namens Lambchop auch noch einer Musik verpflichtet fühlt, die als kühn-distanzierte Neudefinition des haßgeliebten Heiligtums „Nashville-Sound“ daherkommt Wagner: „Ich liebe dieses Zeug, nicht nur unter einem Kitsch-Aspekt Für mich ist Jim Reeves so wichtig wie damals die Sex Pistols.“ Kurt Wagner, seit seinem zweiten Lebensjahr in Nashville zuhause, verließ die Stadt mit 17, um Kunst zu studieren. Zehn Jahre später kam er doch wieder, drei Monate Zwischenstopp waren angedacht Daraus sind inzwischen neun Jahre geworden: Gerade hat er ein Haus gekauft, seine Frau bedient die Vinylfreaks im „Lucy’s Record Shop“. „Ich habe wohl“, sagt Wagner, „meinen Frieden mit Nashville gemacht. Vielleicht haben wir uns nur verändert: die Stadt und ich.“ In Nashville heranzuwachsen bedeutete auch für Wagner, Country erstmal zu hassen. „Morgens gab’s Cartoons im Fernsehen, und dann die Show aus der Grand Ole Opry live und mit den ganzen Stars! Damals hatte ich natürlich keine Ahnung.“ Also drehte er den Ton ab und legte dazu Monkees-Platten auf, bis „irgendwann mal etwas ein bißchen synchron war“. Wagner: „Erst viel später wurde mir klar, daß es da viele Gemeinsamkeiten gibt zu dem, was ich tue. Meine Musik war nie als direkte Referenz an den alten Nashville-Sound gedacht, aber die Idee ist ähnlich – nämlich einen rauhen Sound zu nehmen und ihn hörbarer zu machen, mit vielen Musikern, Streichern, einem sehr beherrschten „Vokal-StiL“ Den spärlichen Avancen der Country-Industrie begegnet Wagner mißtrauisch.

Schwache Berührungspunkte zur Songwriter-Gemeinde in Nashville gibt es dennoch. „Bestimmt 15mal“ hat Wagner Lokalmatador David Olney schon auf der Bühne bewundert Nähergekommen sind sich die beiden immer noch nicht Amüsiert berichtet Wagner eine drehbuchreife Szene: Da hockten sie gemeinsam „auf einer dieser abgefuckten Nashville-Parties“ ihres gemeinsamen krlages abseits in einer Ecke. Wagnen „Wir kratzten uns verlegen am Kopf und hielten nach Aschenbechern Ausschau. Und das war’s schon.“ Kunst ist für Wagner das Werk von Freunden, die ihrer persönlichen Beziehung Priorität vor dem gemeinsamen Werk einräumen. Kein Zufall also, daß er das Cover des neuen Lambchop-Albums „How I Quit Smoking“ seinem ehemaligen, von ihm verehrten Kunstlehrer David Dunlap ohne jegliche Vorgäbe zur freien Gestaltung überließ. Rückschlüsse vom Artwork auf die Musik sind deshalb nicht erlaubt. Und dennoch: Lugt nicht der Sensenmann von der Hülle auch durch viele seiner Songs?

Wagner, der noch immer seine Brötchen in 40 harten Wochenstunden als Holzfußboden-Restaurateur verdient, antwortet: „Es ist wie in der Kohlegrube: Irgendwann hänge ich mit brauner Lunge und kaputtem Rücken im Krankenhaus. Vielleicht in zehn Jahren? So was geht mir schon im Kopf rum.

Und vielleicht suche ich ja auch nach einem Weg, dies in meiner Musik auszudrücken.“

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