Nicht die Bohne borniert: Dodgy finden im bösen Brit-Pop ihre moralische Nische

Oasis sind böse. Blur sind arrogant. Pulp sind neurotisch. Wer sich als neueste Attraktion aufs Brit-Pop-Karussel schwingt, sollte heute den inneren Image-Berater danach befragt haben, welche negativ besetzten Eigenschaften noch frei sind. Was also dürfen wir von Dodgy erwarten?

Dir Name bedeutet so viel wie „verschlagen“, was uns bereits einen Hinweis auf einen hinreichend hinterhältigen Charakter zu geben scheint. „Nein, nein, ganz falsch“, meint Nigel, ein hellblonder, freundlicher Mensch, der als Kopf des Trios gilt. „Wir haben uns so genannt, weil wir das gerade Gegenteil davon sein wollen: positiv, offen, aufrichtig. Der Name soll eher für Diskussionen darüber sorgen, daß Hinterhältigkeit und Verschlagenheit die Säulen der heutigen Gesellschaft geworden sind.“ Hm. Klingt verdächtig nach dem „Buch der Tugenden“. Hätten sich die drei nicht vielleicht besser gleich „The Ulli Wickerts“ nennen sollen?

Es ist seltsam. Die bittere britische Niederlage gegen die deutsche Fußball-Maschine liegt zum Zeitpunkt des Interviews gerade mal ein paar Wochen zurück – aber die Band kann völlig entspannt über das nationale Debakel reden. Kein bißchen Haß auf deutsche Effektivität und Kälte – nur Melancholie und Schulterzukken: „Vielleicht wäre es gar nicht so schön gewesen zu gewinnen.“ Daß die Band mit einem Hippie-Van durch die Gegend gurkt, hat sich bereits herumgesprochen. Und daß sie in Polit-Songs wie „U.K.R.I.P.“ eine politisch hochgradig korrekte Haltung zeigt: für Europa und linke Sozialdemokratie, gegen Rassismus und Nationalismus. „Wir lieben Motown, Northern Soul, die Beatles und Clubmusik“, erklärt Drummer Mathew, „alles Musik mit positivem GrundgefühL Lieder über Selbstzerstörung zu schreiben liegt uns nicht. Ich kann die Aggression, die von Bands wie Oasis und Blur ausgeht, einfach nicht verstehen.“ So steuert die Band, ohne daß sie sich dafür im geringsten anstrengen müßte, auf eine Imagelücke zu: die sozialdemokratische, moralisch saubere Brit-Pop-Band. Eine Beatlesstatt-Stones-Gruppe. Musiker gegen Haß (welchen auch immer). Auch musikalisch: Harmonie und Melodienseligkeit, wohin man hört. Fein ausgedachter, hemmungslos eklektischer Pop. Die frühen Beatles und der Sixties-Soul werden mit leichter Hand verwoben ganz so, als hätten die Beatles und die Supremes es selbst getan. „Wir interessieren uns seit Jahren für Leute wie die Beastie Boys, wie Dr. Dre und all die anderen, die konsequent kombinieren, verschmelzen, zitieren“, erklärt Mathew. „Nur legen wir eben erheblich mehr Wert auf konservative Tugenden wie Songwriting und Arrangements. Wir haben an diesen Dingen immer gefeilt, auch zu Zeiten, als in England der Dance-Beat alles -und der Song nichts war.“ Der Club-Gedanke kommt in Dodgys Hippie-Mikrokosmos dennoch nicht zu kurz. Schon 1992, im Gründungsjahr der Band, wurde auch der „Dodgy-Club“ gegründet: BandmitgDeder und Freunde legten ihre Lieblingsmusik auf meist Sixties-Pop, klassischen Soul und Rare Groove. Dodgy sind nett Nie werden sie dem Sänger einer anderen Band wünschen, daß er an Aids sterbe. Nicht einmal in Gedanken.

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