Oben, wo der wind wechselt

Die grauslichen Konzerte, die Bob Dylan noch Anfang der 90er Jahre des Öfteren spielte, gehören der Vergangenheit an. Da einem diese wenig ruhmreichen Momente jedoch noch allzu präsent sind, meint man heute, jede nicht missglückte Show in den Himmel loben zu müssen und jedes Grinsen, jeden Ausfallschritt als Anzeichen dafür nehmen zu können, wie gut der Alte jetzt drauf ist. So sehr seine Unberechenbarkeit gepriesen wird, weil er fast jeden Abend die Setlist umstellt, so solide und wenig überraschend sind doch auch viele Konzerte geworden. Einen kleinen Raum des Erstaunens gibt es jedoch bei jedem Gig, hier entscheidet sich alles.

Der Meister wirkt in Hannover entschlossen, wie er mit weißem Cowboyhut auf die Bühne tänzelt, sich mit seinen Komplizen in einen Kreis stellt und ein bisschen auf der Akustischen zupft. Nach etwa zwei Minuten biegt die Band dann in „The Times They Are A-Changing“ ein. Dylan stockt, kriegt den Text nicht mehr auf die Reihe – als habe er plötzlich bemerkt, dass sich die Zeiten wohl niemals ändern werden -, findet dann aber nach einigen Versuchen doch noch den richtigen Dreh und bringt das Lied recht schön zu Ende. Das nachfolgende Akustikset verläuft ohne Zwischenfälle, und ja: er kann lieblich singen, wenn er wilL Im elektrischen Set naht die Stunde der Entscheidung: ,Just Like Tom Thumbs Blues“. Eine wundervolle Version, pronunziert gesungen. Im Gegensatz zum Hamburg-Gig ein paar Tage zuvor hat Dylans Gitarre mehr Raum, und es sind seine Gitarrenlinien, die den Stücken immer wieder neue Facetten abgewinnen. Auch Charlie Sexton ist als unterstützender Rhythmusgitarrist präsenter, während Larry Campbell seine wohlgefönten Gitarrenlicks etwas zurückschrauben muss. So funktioniert gar der knifflige Swing von,,Floater“, das ja eigentlich eher langweilige „Solid Rock“ vom schlimmen „Saved“-Album gerät schließlich zum Triumph.

„Masters Of War“ verzaubert im neuen Arrangement, der Zorn scheint verflogen. Doch „Summer Days“ zeigt Dylan aufmüpfig, er versucht sich gar an Gitarrero-Posen, die selbst seine Mitstreiter in Erstaunen zu versetzen scheinen. Dann“Drifter’s Escape“ – Bob an der Mundharmonika, with one hand waving free. Nach dem vortrefflich rockenden „Leopard-Skin Pill-Box Hat“ greift der Meister an die Hutkrempe und geht ab. Das obligatorische Zugabenset mit dem unvermeidlichen „Blowin‘ In The Wind“ gerät routiniert.

Man will schon gehen, da kommen sie noch einmal zurück und fegen mit einem furiosen „All Along The Watchtower“ jeden Zweifel von der Bühne: Der Alte hat tatsächlich immer noch Spaß.

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