Oldie Laden mit Charts Drang

Bis dato war Repertoire nur Revier für Jäger verlorener Rock-Schätze. Doch nun will das kleine deutsche Label im Kreis der Großen mitmischen

„Wer kennt da draußen schon Repertoire Records?“, fragt Thomas Neelsen selbstkritisch und sagt dann selbstbewusst: „Ich will, dass Repertoire endlich eine richtige Plattenfirma wird! Ich will mit meinen Veröffentlichungen auch in die Charts!“

Neelsen ist Chef der kleinen, feinen Hamburger Plattenfirma namens Repertoire, die sich bis dato auf das Ausgraben und Wiederveröffentlichen rockhistorisch relevanter Perlen von Affinity bis hin zu Zone Six (household names wie Elvis, Ramones, Dean Martin oder Easybeats dabei nicht zu vergessen) – kapriziert hatte. In England und den USA wurden die Repertoire-Grabungen an den Rock-Kultstätten dank der erfolgreichen Bergung und der Wiederverfügbarmachung sagenumwobener Preziosen wie Grin, Todd Rundgren oder Waylonjennings von Fachgazetten à la „Record Collector“, „Mojo“ oder „Pulse“ entsprechend gewürdigt.

„In Deutschland aber“, so Neelsen, „sind wir bis dato halt nur ,dieser kleine Laden, der mit Oldies handelt‘.“

Und weil das den Chef trotz weiterhin zufriedenstellender Nachfrage nach den Rereleases nicht nur grämt, sondern ihm auch längst klar geworden ist, dass ihn solch Eingleisigkeit in naher Zukunft aufs Abstellgleis befördern könnte („irgendwann haben all die, die „Head Rings Out“ von Bloodwyn Pig auf der Suchliste haben, das Ding auch im Regal“), will er nun endlich auch mal dahin, wohin die Majors mit jedem ihrer vielen Acts wollen: „in die Charts“.

Aber womit? Ist er im Wiederveröffentlichungs-Rausch dem Wahn verfallen, dass etwa eine Neuauflage des unzweifelhaft kultigen ’67er-Werks „Tangerine Dream“ von Kaleidoscope Vivaoder MTV-Konditionierte scharenweise in die WOM- und Saturn-Märkte eilen lassen würde? Nein, Neelsen, früher selbst mal Musiker, hat sich nie nur als ein Sucher, Sammler und Verkäufer musikalischer Antiquitäten verstanden, sondern die Augen stets (nach potenziellen Label-Zukäufen) und seine Ohren (bezüglich erfolgverheißenden Trends) offen gehalten.

Mit Erfolg, denn unlängst konnte er sich die Verwertungs-Rechte des britisehen Kult-Labels ZTT Records sichern. – Kurzer Exkurs für Spätgeborene: ZTT wurde 1983 von Produzent Trevor Hörn und „NME“-Kritiker-Papst Paul Morley ins Leben gerufen und konnte sich in seiner knapp fünfjährigen Existenz dank Morleys Guerilla-Marketing-Strategien und Horns Spürnäschen in puneto angesagter Acts (von The Art Of Noise, Propaganda, Grace Jones und Roy Orbison bis zu Frankie Goes To Hollywood) mit einer Auszeichnung als „innovativstes Label Englands“ schmücken.

Für Thomas Neelsen das ideale Vehikel, Repertoire Charts-kompatibel zu machen: „Frankie Goes To Hollywood hat auch die jüngere Generation noch im Ohr, ,Relax‘ oder ,The Power Of Love‘ werden heute noch im Radio gespielt, und wenn ich mir anschaue, wie viele Hits der Achtziger mittels Remix eines angesagten DJs wieder zu Chart-Ehren kommen, dann liege ich doch mit Frankie oder auch Propaganda ganz weit vorn im Rennen.“

Dort liegt Neelsen, der Repertoire Records vor zwölf Jahren mit dem (leider verstorbenen) Partner Killy Kumberger am Kneipentresen spontan aus der Taufe hob, mit seinem Gespür für relevante Reissues aus den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern schon längst. Und so gut, dass er jetzt – sein nächster Schritt in Richtung „richtige Plattenfirma“ – seinen Vertriebs-Deal mit einem Großen der Branche aufgekündigt hat und künftig seine Platten durch eine eigene, Repertoire-geschulte Vertreter-Truppe in den Handel bringen lassen will. „Dazwischen, Fan guter Musik zu sein, gute Musik aber auch erfolgreich zu verkaufen, liegen ganze Welten“, hat Neelsen, der die allerersten Repertoire-Veröffentlichungen damals noch per Fahrrad in Hamburgs Läden expedierte, dank seiner grassroots-Schulung klar erkannt. Erkannt hat er aber auch, dass hiesige Plattenfirmen ihren Backkatalog noch stiefmütterlicher behandeln als die Majors in den USA und dass dort die emsigen Archäologen von Rhino etwa mit Bergungen wegweisender Funde der Rock-History, wie im Falle der „Cowabunga“oder der „Nuggets“-Boxen, dazu kenntnisreich analysiert und kommentiert, Legenden neu schufen und nebenbei auch gute Umsätze machten. Neelsens Repertoire-Ziele: vom abhängigen Oldie-Laden zur eigenständigen Top-Marke für das Rock-Erbgut und dank reanimierter ZTT-Hits rein in die Charts. -Toi, toi, toi!

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